Comicmessen in Berlin

An alle, die uns gestern an unserem Stand auf der Berliner Comicmesse im Ellington-Hotel besucht haben: es war schön Euch dort zu treffen, viel Spaß mit den neuen Comics. Ihr habt mal wieder guten Comic-Geschmack bewiesen! ;)

Vielen Dank auch an die Veranstalter, es lief wie gewohnt alles reibungslos. Und auch wenn in der großen Halle wieder mal der eine oder andere Trödeltrupp am Start war, so ist die Veranstaltung insgesamt doch absolut gelungen – was sicherlich auch an dem wunderbaren Publikum mit ehrlichem Interesse an der Vielfalt der Comics gelegen haben dürfte.

Na klar, auf der Hipsterskala fällt die Comicmesse etwas hinter der Comicinvasion zurück (gut-bürgerliche weisse Tischdecken-Strenge vs. morbiden Industriebau). Die Invasion ist ja auch eher Party als Messe. Dafür gab es auf der Messe weniger Kleinkunst, und dafür ein größeres Spektrum an gereiften und bereits verlegten Comics zu sehen. Die beiden Veranstaltungen könnten unterschiedlicher nicht sein, und haben beide ihre Berechtigung, und konkurrieren nicht miteinander.  Was mich an der Comicinvasion etwas irritiert ist der Anteil der Non-Comics, der gefühlt 80% der Veranstaltung ausmacht. Nichts gegen einen Vermischung von Comic und sonstigen Kunstformen, allerdings würde ich mir bei einer Comicveranstaltung auch einen entsprechenden Schwerpunkt wünschen. Das erinnert mich an einen Spruch aus der Comicbibliothek Renate gegenüber einen Comiczeichner, der dort Comics unterbringen wollte: "am besten laufen so Sachen, die garnichts mit Comic zu tun haben".

Ein wenig zu simpel fand ich einige Verlagsstände im Ellington, da wurden ein paar Bücher auf den Tisch gelegt und zwei Praktikanten dahinter gestellt, und das wars dann. Da könnte es doch mal was besonderes geben, ein paar mehr Zeichner, eine aufwändigere Präsentation mit riesigen Aufstellern, Plakaten oder andere Specials. Das würde auch dem Foyerbereich nochmal mehr Festivalcharakter geben, und zu einem Erlebnis für die Besucher beitragen. Für viele Aussteller ist die Messe doch offenbar immer noch eine Börse.

Wobei ich immernoch der Meinung bin, dass eine Kombination aus beiden Veranstaltungen – Messe und Invasion – die beste Variante für Berlin wäre, und auch einen realistischen Überblick über die Bandbreite, über das derzeitige Spektrum des Comics geben würde. Und aus vielen Gesprächen habe ich herausgehört, dass ich nicht der Einzige bin, der sich so etwas wünscht. Es wird wohl leider ein Wunsch bleiben.

 

Comic Dissertation

Heute gibt es einen Gastbeitrag von Nikodinte, einer jungen alten Stammkundin:

UnflatteningAlso ich kenn das gut, ich will einen Text schreiben und mir fallen 100 Themen ein, die auch anderen schon eingefallen sind und alle Quellen die ich finde sind ungefähr genauso langweilig und unverständlich, wie die eigenen Antworten..ähem.

Als ich neulich gedanklich dann doch mal fremd ging fiel mir ein Artikel zu einer Dissertation in die Hände, die schlicht und ergreifend ein Comic ist. Für euch Comichelden mag das jetzt langweilig klingen, für mich klang das wie die Legalisierung von etwas total Verbotenem.

In einem englischen Artikel über Nick Sousanis Dissertation erzählt uns die Autorin Kaitlin Mulher, wie sehr sich der Horizont einer ganzen Universitätspresse dadurch erweitert hat; Sie haben tatsächlich zum ersten Mal einen Comic drucken müssen!

Dieses Buch ist in englischer Sprache, es kommt im Paperback-Format und ist zur Zeit nur bei wenigen Anbietern erhältlich, Kostenpunkt 20,50 €. Thema? Hab ich vergessen. Auf jeden Fall sollten sich das alle mal anschauen, die gerade bei der Masterarbeit hocken und denen Worte einfach nichts mehr sagen.

Unflattening
von Nick Sousanis
Herausgegeben von der Harvard University

 

Anmerkung: ihr könnt das Buch natürlich über unseren Laden beziehen, ggf. bitte vorbestellen.

 

Die Verschiebung

Nach Richtung ist dies hierzulande die zweite Veröffentlichung eines Titels des Künstlers innerhalb weniger Wochen: Die Verschiebung von Marc-Antoine Mathieu aus dem Hause Reprodukt. Diesmal ist es wieder eine Geschichte aus der Reihe Julius Corentin Acquefacques – Gefangener der Träume. Fans der Serie werden es ahnen – es gibt auch wieder ein Special im Buch. Traumhaft!

Die Verscheibung Comic

Hoppla! Julius Corentin Acquesfacques wird unsanft aus seinen Träumen gerissen und in eine Geschichte geworfen, deren Anfang er nicht kennt. Die Handlung von “Die Verschiebung” beginnt auf Seite 7, das Titelbild findet sich auf Seite 59 und mittendrin scheint jemand mehrere Seiten aus dem Buch gerupft zu haben. Der unerschrockene Grenzgänger Acquesfacques muss sich sputen, um nicht von den Ereignissen der Verschiebung überrollt zu werden…

Die Reihe um Julius Corentin Acquefacques entführt den Leser in einen Kosmos aus kafkaesker Bürokratie, surrealen Szenarien und wahnwitziger Traumlogik. Marc-Antoine Mathieu lotet einmal mehr die Grenzen des Erzählbaren aus – und nebenbei auch die der Buchgestaltung – sodass man aus dem Staunen gar nicht herauskommt. – Pressetext

Neues im April

Hier eine Übersicht über die Neuzugänge der letzten Tage in unserem Laden – wie immer mit ein paar garantiert subjektiven Kommentaren:

EGN / ECC


Der große Tote, Band 5 – Panik

Endlich – die lang erwartete Fortsetzung ist da, die Serie von Loisel (Szenario) und Mallié (Zeichnungen) ist ein Bestseller unseres Ladens. Wunderbar erzählt und virtuos gezeichnet. Einen Artikel über die Serie könnt Ihr hier im Blog nachlesen: Fantasie vs.Realität.


Don Quixote und Sancho Pansa – die Ritter der Neuzeit sind wieder unterwegs. In alter Ritterliteratur schwelgend und vergangene Zeiten heraufbeschwörend, ist der Roman fiktionale Rittergeschichte, und macht sich gleichzeitig darüber lustig. Das ist manchmal köstlich, manchmal absurd – so eine Art Terry Pratchett Roman oder Donjon der frühen Neuzeit. Ich bin gerade dabei, diese Graphic Novel zu lesen. Gezeichnet wurde das Werk von Rob Davis, der aus der "Judge Dredd" und "Dr. Who" Ecke kommt, und einiges an Erfahrung mitbringt. Und diese tut der Umsetzung gut, wie man im Vergleich zu diversen missglückten literaturadaptierenden Comics (oder einigen anderen halbherzigen Comics von sog. etablierten Literaturverlagen) feststellen kann.

Bereits vor einigen Jahren hatte ich mich mal an dem Roman von Cervantes versucht. Ich hatte so eine 600 Seiten Ausgabe (es handelte sich dabei sogar noch um eine gekürzte Ausgabe). Leider hat sich dann herausgestellt, dass dieser Roman zu den Klassikern der Weltliteratur gehört, die unlesbar sind. Das könnte an der angestaubten  Übersetzung liegen, oder auch an der Tatsache, dass das Werk zu Beginn des 17. Jahrhunderts enstand. Das mag in Literaturzirkeln gut ankommen – ich mußte das Leseexperiment wg. Unerträglichkeit allerdings abbrechen. Nun gibt es eine Graphic Novel Adaption, und ich wage mich erneut an das Werk. Und soweit ich das nach ca. einem Drittel beurteilen kann, funktioniert die Geschichte sehr gut. Sie ist kompakt, ohne dass der Künstler das Werk zum Comic-Quickie degradiert. Immerhin zählt auch die Graphic Novel knapp 300 Seiten. Don Quixote wurde entstaubt und humorvoll erzählt, gezeichnet in einem Stil, den ich übrigens eher bei Reprodukt erwartet hätte (zum Glück bleiben einige Verlagsprogramme im positiven Sinne weiter unberechenbar) – sehr schön!

 

Carlsen

Der Schatz der Tempelritter ist eine empfehlenswerte historische Abenteuerserie. Der zweite Band der dreiteiligen Serie ist nun erschienen. Im 14. Jahrhundert läßt König Philipp IV die Tempelritter wg. angeblicher Ketzerei verhaften und zerschlägt in einem Schauprozess den dem Papst unterstellten Orden. Bis heute ist diese abgekarterte Geschichte einerserseits und die mythische Ikonisierung der Templer als Elite-Ritter auf der anderen Seite Inspirationsquelle für zahlreiche Verschwörungstheorien, Filme und Romane, insbesondere auch was den Verbleib des Vermögens des Templerordens angeht. Der Comic hält sich aber eher an die Zeit und versucht sich nicht an weiteren Verschwörungstheorien. Die Protagonisten sind einige Templer, die mehr oder weniger zufällig der Gefangennahme entgehen, und sich aus unterschiedlichen Motivationen heraus auf die Suche nach dem Schatz der Tempelritter begeben. Daneben geht es auch um Politik, um den Konflikt zwischen Staat (König) und Kirche (Papst), um leere Kriegskassen und missbrauchten Glauben. Die Reihe ist für junggebliebene oder jugendliche Leser ab 12 Jahren geeignet.

Erdacht wurde der Comic von Jordan Mechner, der auch das Computerspiel Prince of Persia entwickelt und an dessen Verfilmung mitgewirkt hat. Aber keine Sorge – totgerenderte Computerspielgrafiken gibt es in dem Comic nicht zu sehen, ganz im Gegenteil wirken die Seiten eher handgemacht.

The Sculptor – Der Bildhauer. Der neue Scott McCould ist nun auch auf Deutsch erhältlich. McCloud hat einige der besten analytischen Bücher zum Thema Comic vorgelegt (Comics machen, Comics richtig lesen, Comcis neu erfinden; Carlsen). Man sagt ja, Analytiker sind keine guten kreativen Schöpfer. Um herauszufinden ob das stimmt, könnte man diesen Band lesen. Immerhin ist McCloud eine Koryphäe des Mediums. Zeichnerisch bewegt sich der Band eher auf Standard Deluxe Niveau – ich nenne das immer "Amerikanische Ligne Claire" – das haben wir alles schon hundertmal gesehen. Das macht es nicht schlecht, und es sieht auch wirklich sehr gut und zugänglich aus, trotzdem hätte McCloud hier etwas mehr eigenen Stil entwickeln dürfen. Bei uns bekommt Ihr übrigens auch die englische Ausgabe des Buches.

 

Nochmal Loisel. Das Nest Band 9 hat diesmal Überlänge und schließt die Serie ab. Die kanadische Serie würde man wohl – wenn sie ein Film wäre – Heimatfilm nennen. Heimatcomics – ich glaube den Begriff gibt es bislang noch nicht. Und in der Tat besteht die Serie folgerichtig aus abgefeierter Ereignislosigkeit. Das muss man ehrlicherweise sagen dürfen, denn dies muss man erstmal mögen, und die uns bekannten Fans der Serie lieben es. Zeichnerisch liefert Loisel hier die Crème de la Crème der Comickunst ab. Besser geht es nicht. Punkt. Und in der Dorfgeschichte gibt es wunderbare, kauzige und schrullige Charaktere, die einem ans Herz wachsen. Leider sind die ersten beiden Bände dieser Perle der Comickunst nicht mehr lieferbar, Neueinsteiger werden es schwer haben.

 

Weitere Neuerscheinungen bei Carlsen

  • Alisik, Band 4 – Abschlußband der deutschen Dark Romance Produktion
  • Katze Chi, Band 5
  • Assassination Classroom, Band 4
  • Attack on Titan, Band 7

 

Splitter

Serienstarts

Die Nacht der lebenden Toten Band 1: Vatersünden
Zombies sind nicht totzukriegen: Eine Neuintepretation des Kultfilms. Hier gibt es eine erste Rezension.

Death Experience Band 1: Die Barke des Ra
Wohlhabene Mutter baut in Nasa-Labs ein Schiff nach dem Prinzip einer ägyptischen Sonnenbarke, das der Seele ihres im Sterben liegenden Sohns nach dem Tod ins Jenseits folgen soll… Ich hab den Band bereits gelesen, meine Meinung dazu (die leider sehr zwiespältig ausfällt),  werde ich eventuell später hier im Blog noch kund tun…

 

Must read – Highlights bei Splitter!

 

  • Universal War Two Band 2: Das gelobte Land
    State-of-the-art Science Fiction, m.E. neben Orbital die beste SF-Serie bei Splitter.
  • Azimut, Band 2: Die Schöne muss sterben
    Autor Lupano schreibt anspruchsvolle Graphic Novels (Der Affe vone Hartlepool; Avant) und ebenso geistreiche Fantasy-Alben (Alim, der Gerber; Splitter), und sogar einen köstlich-schwarzhumorigen Western (Der Mann der keine Feuerwaffen mochte; Splitter). Azimut ist sein bislang skurrilstes Werk, absolute Leseempfehlung (wie bislang alle Werke des Autors)!

 

Weitere Serienfortsetzungen

  • Ramiro, Gesamtausgabe Band 3
  • Sherlock Holmes – Crime Alleys – Splitter Double (abgeschlossener Einzelband)
  • Cyann, Band 6: Die sanfte Dämmerung von Aldalarann (Abschlußband)
  • Elric, Band 2: Sturmbringer
  • Pelikan Potokoll, Band 4: Vierte Phase
  • Prometheus, Band 10: In der Dunkelheit 2
  • Kreuzzug, Band 7: Der Herr der Wüste
  • Percy Pickwick,  Gesamtausgabe Band 3 (Toonfish)