Tsch, tsch macht die Eisenbahn

"Die Deutschen mögen es gerne kurz und knapp". Dies ist nicht das Fazit des Verlegers, sondern eine Bemerkung Alois Nebels zu den wechselnden Namen des Prager Hauptbahnhofes. Denn die deutsche Ausgabe des Comics ist mit über 350 Seiten auch alles andere als kurz geraten – im tschechischen Orignal ist der Comic allerdings in drei Teilen erschienen. Und einer der Teile spielt tatsächlich an diesem Bahnhof und heisst auch so, genauso wie die anderen beiden jeweils nach den Orten benannt sind, die im Moment der Handlung den Lebensmittelpunkt des Helden bestimmen.

Der Hauptdarsteller mit dem schönen sprechenden Namen stochert sprichwörtlich im Nebel der wechselvollen Geschichte Europas – und es gibt übrigens auch ein Medikament gegen Alzheimer mit dem Namen "Alois" … . Als Fahrdienstleiter eines kleinen Bahnhofs im Altvatergebirge, an der Grenze zu Polen, sieht er die Geschichte an sich vorbei rollen. Tsch, tsch, macht die Eisenbahn. Deutsche Züge mit Verwundeten, russische Züge mit Wodka. Zur Entspannung liest er auf dem Klo Kursbücher, eben weil da nichts passiert, wie er sagt. Irgendwann klappt das aber nicht mehr, er sieht Züge mit SS-Männern auf seinem Bahnhof stehen und landet in der Klapse. Kein schöner Ort und nicht unbedingt nette Menschen. Die Psychiater tragen zwei Köpfe, die Patienten bergen dunkle Geheimnisse und die Bilder werden zunehmend düsterer. Aber auch dort, im Dunkel der Nacht, behält Alois Nebel die Ruhe und tauscht mit Kiffern rote Pillen gegen Bier. Als er wieder rauskommt, will er zuerst zum Prager Hauptbahnhof, weil jeder mal dort gewesen sein sollte.

Alois Nebel ist verwirrt, aber kein Schwejk und er macht keine Show, er ist sie. Am Ende diskutieren Autor und Zeichner, ob es ein Happy-End geben soll. Das will ich hier nicht verraten. Nur soviel: Es ist die phantastische Geschichte des Lebens, der Zufälle und der Verbindungen. Keine weitere "coole" Coming-Off-Age Erzählung. Ziemlich liebenswert.

360 Seiten,
Softcover, Schwarz/Weiß
Voland & Quist
24,90 EUR

Leseproben und mehr unter: http://www.aloisnebel.de/