Hedy Lamarr

Hedwig Eva Maria Kiesler, Schönheitsikone, Schauspielerin und Erfinderin, hat während des Zweiten Weltkriegs eine Steuerung für Torpedos entwickelt, die eine höhere Trefferquote erzielen sollte, aber nicht zur Anwendung kam. Erst viel später wird die Idee als Basis für die heutige WLAN-Technologie aufgegriffen und genutzt. Die Graphic Novel erzählt ihre Geschichte beginnend mit ihrer Kindheit und Jugend in Österreich, über ihre spätere Kariere in Hollywood als Hedy Lamarr, bis hin zu ihrem Tod im Jahr 2000.

Hedy Lamarr, Cover der Graphic Novel

Ich hätte mir in dem Band noch mehr Einblick in die Technik erwünscht, ein paar mehr Seiten „Sendung mit der Maus“, wie genau das mit den Torpedos funktionieren sollte. In dem Punkt scheinen die Autoren wohl uns Lesern auch nicht so recht etwas zuzutrauen? Aber dies kann man ja woanders nochmal nachschlagen. Im Wesentlichen geht es in dem Comic um verpasste Chancen im Leben, um die Vor- und Nachteile von gut-aussehenden Frauen in der damals Männer-dominierten Medienwelt, um Überheblichkeit, ums Abgestempelt-Sein (einer Lamarrs frühen Filme zeigt den ersten weiblichen Orgasmus der Filmgeschichte, welcher das Image ihres restliches Lebens prägte), Doppelmoral und darüber, dass das alles selbst mir besten Grundvoraussetzungen nicht spurlos an einem vorübergeht. Auch wenn die ersten Seiten noch etwas bemüht wirken, entwickelt sich der Band zu einer interessanten und auch tragischen Geschichte. Sehr gut gemacht und lesenswert!

Ist das Thema Schnee von gestern? Wohl kaum. Die Weinsteins dieser Welt sind immer noch da. Aber es öffnet sich gerade eine weitere Front auf der genau gegenüberliegenden Seite. Da gibt es Kreise, für die es außerhalb der Vorstellungskraft liegt, dass gut aussehende Menschen auch ein emanzipiertes Leben führen oder womöglich sogar Feministen sind. Da gibt es große Diskussionen, selbst wenn fiktive (animierte) Figuren zu gut aussehen (siehe die aktuelle Debatte um das mit Sexappeal aufgeladene koreanische Computerspiel „Stellar Blade“). Und dann gibt es Uglyfication in Serien, Filmen und Spielen. Mir fällt da der Satz ein „It’s always the people with no magic, trying to tell you what to do with yours“. Am liebsten möchte man wohl noch Traumwelten regulieren. Bis zu einem entspannten Umgang mit der Thematik zwischen Übergriffigkeit und der neuen Spießigkeit ist es wohl noch ein weiter Weg.

Hedy Lamarr – Wienerin, Hollywoodstar, Erfinderin
von Sylvain Dorange und William Roy
Hardcover, 176 Seiten, koloriert
Bahoe Books, 28 EUR

Ergänzender Lesetipp: die Graphic Novel „Schönheit“ von Hubert und dem Künstlerteam Kerascoët beschäftigt sich in anderer Herangehensweise auf schwarzhumorige Art und Weise mit dem Thema. Erschienen bei Reprodukt.

Time before time

Zeitreisen sind paradox? Nicht zwangsläufig! Spätestens seit „Universal War One“ wissen wir, dass die Gegenwart die Summe aller Zeitreisen ist, die jemals gemacht wurden – und noch gemacht werden. Ich gebe es zu, ich sage diesen Satz einfach gerne … :)

Das heißt, wir können den Ablauf der Zeit selbst mit den richtigen Zeitmaschinen nicht verändern, oder Dinge ungeschehen machen. Aber hey – warum nicht Geschäfte machen? „Time before time“ erzählt in der Tonart des Crime-Noir die Geschichte von Tat, der für das Syndikat Menschen und Waren durch die Zeit schmuggelt. Das läuft alles andere als rund, und Tat möchte aussteigen, aber es ist natürlich nicht so einfach, und durch eine unfreiwillige Bekanntschaft mit einer FBI-Agentin eskaliert die ganze Sache, Tat gerät zwischen die Fronten von rivalisierenden Gangs aus unterschiedlichen Zeiten …

Time before time # 1 Hardcoverausgabe

„Time before time“ glänzt mit frischen Ideen im Genre, die in fantastischen Indie-Style-Artworks und visuell extrem gut durchdachten Sequenzen umgesetzt werden. Die Geschichte hat Tempo, spielt auf mehreren Zeitebenen und ist komplex, ohne dabei kompliziert zu sein. Und sie macht einfach richtig Spaß. Mindestens ein Kloß im Hals ist dank der guten Dramaturgie auch garantiert. Was uns dann doch wieder daran erinnert, dass das Leben kurz ist und wir doch so Dead-Poetes-Society mäßig besser die Gegenwart für unser Leben nutzen und den Augenblick genießen.

Der Auftakt der Serie ist gerade im Verlag Skinless Crow erschienen. Unverständlicherweise ist der Band sehr hart limitiert: von der Hardcovervariante gibt es 222 Exemplare. Okay. Aber von der Paperbackausgabe gibt es auch gerade einmal 444 Stück. Die Bände sind allerdings nicht nummeriert. Hoffentlich findet die Reihe auch hierzulande ihr Publikum, der erste Band ist eine echte Perle. Im Original gibt es fünf Bände. Die Softcoverausgabe ist übrigens sehr ordentlich produziert.

Ach ja: ob der Titel des Buches von Cyndi Laupers Song „Time after Time“ inspiriert wurde? Das wüsste ich auch gerne …


Falls Euch die Serie interessiert, wir können Euch die Bände frühzeitig vorbestellen, sodass ihr trotz der Limitierung keinen Band der Serie verpasst.

Time before time # 1
von Declan Shalvey, Rory McConville, Joe Palmer
Skinless Crow
135 Seiten, koloriert
19.90 EUR (Softcover) bzw. 29.90 EUR (Hardcover)

Der Ring des Nibelungen

Mit diesem Meisterwerk und Ziegelstein von einem Comic (rund 450 Seiten), der Comicadaption und Gesamtausgabe der berühmten Wagner Oper schließen wir unseren Weihnachtskalender. P. Craig Russell liefert hier ein Meisterwerk ab, welches vom Cross Cult Verlag in sehr schöner Aufmachung präsentiert wird.



Klar, das Buch ist mit 50 EUR nicht gerade geschenkt. Aber wie ein Kunde und begeisterter Leser des Comics mal sehr treffend zu mir sagte: günstiger als eine Karte für die Festspiele in Bayreuth. Schaut es euch einfach mal an, schlachtet das Sparschwein, nehmt einen Kredit auf, verkauft ein paar der weniger guten Comics!

Der Ring des Nibelungen, Hardcover, 448 Seiten in Farbe, Cross Cult, 49.99 EUR

Was für ein Comic, was für ein Jahr. Wir hoffen, dass ihr ein paar Tipps mitnehmen konntet, oder einfach etwas Spaß an unseren launigen Texten unseres Adventskalenders hattet. Falls ihr nicht aus Berlin seid: ihr könnt natürlich alle Comics auch bei uns per Mailorder bestellen.

An der Stelle möchte ich mich bei all unseren Kunden bedanken, die uns auch dieses Jahr wieder die Treue gehalten haben. Die auch mal Geduld hatten, wenn die Logistik etwas länger gedauert hat. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr und die Fachsimpeleien im Laden. Schaut ruhig auch mal zwischen den Feiertagen hier vorbei, ich werde noch kurz zwei, drei meiner Lieblingscomics des Jahres vorstellen.

Wir wünschen euch allen ein friedliches Weihnachtsfest und erholsame Tage!

Sigi – Operation Brünnhild

In zwei Jahren und einem Monat um die Welt – die erfolgreiche Rennfahrerin Clärenore Stinnes umrundete von 1927 bis 1929 die Erde in einem Reihenwagen. Diese wahre Geschichte dient dem Comic „Sigi“ als Inspiration.

Arnoux und Morancho adaptieren die historische Geschichte nicht ganz so bierernst und auch nicht hundertprozentig diszipliniert. Sigi ist ein Unterhaltungscomic und kein Geschichtsbuch. Der Comic führt uns in die Zeit der Entdeckungen und Abenteuer. Keine Smartphones, kein Internet, kein GPS, schlechte (oder keine) Straßen, kein ADAC. Kameratechnik, die man eher zu zweit auf der Schulter als in der Hosentasche trägt. Klapprige Holzbrücken, wunderbare Autos mit Stoßstange, und eine toughe Protagonistin. In sehr schönen Bildern erzählen Zeichner und Autor eine leichte Geschichte mit einigen historischen Parallelen mit einem zusätzlichen fiktiven Spin um einen finsteren Widersacher.

Ich mag ja richtig gut gezeichnete Comics alter Schule, und habe bestimmte Vorstellungen was Ästhetik und Stil klassischer Alben angeht. Der vorliegende Band hier ist für mich eine Tafel Schokolade unter diesen Comics. Arnoux und Morancho wissen, wie man’s macht.

Sigi Band 1 Operation Brünnhild, Schreiber und Leser, 17.95 EUR

Shunas Reise

Shunas Reise

Ein Buch, wie ein Kurzfilm von Studio Ghibli.

Hayao Miyazaki erzählt in prachtvollen, großen, gemäldehaften Aquarell – Illustrationen als Leinwand für einen Text, der nur wenige Male in Sprechblasen anzutreffen ist, eine kraftvolle Geschichte, wie in späterer Studio Ghibli – typischer Manier.

Und zwar von dem jungen Prinzen Shuna, der in einem kargen Dorf zu Hause ist, gelegen in einer Schlucht, die nicht mehr mitbringt, als das, was gerade so zum Überleben reicht. Er bricht auf, um die Umstände seiner Mitmenschen zu verbessern, als er von einem Fremden die Legende des goldenen Korns erfährt. Irgendwo, bei Wesen, den Menschen erhaben, soll es zu finden sein. Bewaffnet und mit seinem Reittier beginnt für Shuna ein Abenteuer.

Ihm begegnen Wunder, aber auch Missstände, Hoffnung und Leid. Mystisch geht es zu und das Miteinander und aufeinander Einwirken zwischen der Natur und den Menschen ist wie in den Anime des Studio Ghibli von großer Bedeutung.

Hayao Miyazaki zeichnete, malte und schrieb eine epische Geschichte im Kleinen.

In Japan bereits 1983 erschienen, liegt jetzt mit Shunas Reise ein Frühwerk des Meisters nun auch auf Deutsch vor.

Shunas Reise, 160 Seiten, erschienen bei Reprodukt, € 20,00

Colony

Ein kleiner Tipp zum „Gratis Comic Tag“, oder für den nächsten Wochenendeskapismus: Colony. Eine der wenigen nicht-dystopischen Science Fiction Serien. Bei dem ganzen wuchernden Endzeitmaterial zurzeit muss man halt sagen: ohne einen gewissen Optimismus können wir halt EINPACKEN. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wie das Reh im Scheinwerferlicht hypnotisiert auf der Straße stehen bleiben, wenn der Truck angebrettert kommt. Ihr wisst, was ich meine.

Colony ist eine coole Geschichte, umgesetzt von einem Zeichner, der sich in Sachen extra-terrestrischer Schauplätze so richtig austobt.

Im Prinzip geht es in der Reihe darum, dass den Menschen von einer Alienspezies ein Raumschiffantrieb für interstellare Reisen zur Verfügung gestellt wird. Allerdings haben die Menschen bereits vorher diverse Raumschiffe mit „konventionellen“ Antrieben zur Bildung von Kolonien in alle Richtungen des Universums gesandt. Mit der Verfügbarkeit des schnellen Antriebs wird nun ein Team gebildet, dass sich auf die Suche nach den Kolonieschiffen begibt… Die Serie ist einerseits episodisch aufgebaut, anderseits entwickelt sich auch ein größerer Hintergrundplot. Bislang liegen fünf Bände vor.

Der grosse Indienschwindel

Wow! Der neue Comic von Guarnido ("Blacksad") und Ayroles ("Garulfo", "Mit Mantel und Degen", "D") ist erschienen. Für alle, die gut gemachte Comics der alten Schule mögen. Für mich ist das bislang der Comic des Jahres 2019. Und damit es nicht langweilig wird, ist der Band in einem Überformat erschienen. Also seht euch schon einmal nach passenden Regalen um. ;)

Der grosse Indienschwindel Cover

 

Er ist ein wenig vertrauenswürdiger, aber hochsympathischer Spitzbube, dieser Don Pablos aus Sevilla, der uns hier aus seinem wildbewegten Leben im Spanien des Goldenen Zeitalters erzählt – und in jenem Amerika, das man damals noch für Indien hielt. Mal versunken im Elend, mal überaus reich, mal verachtet und dann wieder verehrt, führen ihn seine unglaublichen Abenteuer aus der Gosse in Paläste, von den Gipfeln der Anden in die sumpfigen Niederungen des Amazonas und schließlich zu jenem mythischen Ort, wo alle Träume von der Neuen Welt zusammenlaufen: Eldorado! – Pressetext

Signierstunde: Cyril Pedrosa

Goldene Zeiten: der  französisch-portugiesische Autor und Zeichner Cyril Pedrosa kommt nach Berlin und signiert bei uns im Laden.

Signierstunde mit Cyril Pedrosa

Dienstag, 18. Juni 2019 von 16:30 bis 18 Uhr

 

Cyril Predrosa

Der Eintritt ist frei. Der Zeitrahmen ist kurz, meldet Euch bitte möglichst vorher zB. telefonisch oder per Email an. Wir vergeben wie immer Wartenummern, um längeres Schlange-Stehen zu vermeiden. Bücher können selbstverständlich auch vorab reserviert werden.

Das goldene Zeitalter

Jäger und Sammler

Portugal

Drei Schatten

autobio

25 Jahre – Hellboy Tag 2019

Nicht vergessen: am 23. März ist Hellboytag! Kommt vorbei – es wird Goodies wie ein Gratis-Heft, Lesezeichen, Sticker und Poster sowie eine limitierte Sammlerausgabe geben.

Vor 25 Jahren legte Mike Mignola den Grundstein zu einem neuen Comicuniversum: Hellboy erblickte das Licht der Welt. "Hellboy, ein Dämon aus der Hölle, beschworen von den Nazis, als Jüngling von US-amerikanischen Truppen gerettet und unter Menschen aufgewachsen. Er wurde zum größten Beschützer der Menschheit, die von den Mächten des Bösen bedroht wird: Dämonen, mächtige Fabelwesen, Vampire, Hexen, untote Nazis und ihre Schergen …" (CrossCult)

25 Jahre - Hellboy Tag 2019

Eine frühe Version des Charakters gab es übrigens bereits 1991, die ersten Comics erschienen 1994.

Heute gehört Hellboy neben Usagi Yojimbo und neuerdings Black Hammer zu den drei großen, originellen und nicht repetitiven amerikanischen Comicuniversen. Der Hellboy-Spin-Off B.P.R.D. ist meiner Meinung nach eine der besten amerikanischen Comic-Serien überhaupt. Mike Mignola und seinem Team ist es gelungen, eine vom aussterbende bedrohte Erzählform, die ich gerne "sophisticated Pulp" nenne, ins 21. Jahrhundert zu retten und den Ball dabei weit ins Feld zu schießen. Inzwischen zeichnen diverse Zeichner an der Serie und den Spin-Offs. Allerdings behalten Mike Mignola und seine Co-Autoren immer den Überblick. Erzählerische Karussellfahrten wie bei beiden großen US-Verlagen wird man hier nicht finden, vielmehr wirkt jede kleine Geschichte wie ein Puzzleteil. Bemerkenswert ist wie alte, historische Mythen oder Figuren in die Hellboy-Geschichten eingewoben werden.  Die Zeichenstile der unterschiedlichen Künstler werden dabei von Star-Kolorist Dave Stewart virtuos zusammengehalten. Stewart koloriert (fast) alle Comics des Universums mit einer sehr eigenen Farbpalette. Eine ebenso einfache wie geniale Herangehensweise, um ein stilistisches Auseinanderfallen bei so vielen beteiligten Künstlern zu verhindern.

Zum Hellboytag erscheinen ein Reprint des ersten Heftes "Saat der Zerstörung" (gratis), sowie eine limitierte Sammlerausgabe von "Der Leichnam und die Eisenschuhe" (666 Exemplare, ca. A3 Format, s/w, je 25 EUR).

Hellboy - Saat der Zerstörung

Hellboy - Sammlerausgabe Der Leichnam und die Eisenschuhe

 

Lieblingscomics 2018

Auf einen Blick:

Lieblingscomics 2018

Es gab natürlich noch weitere tolle Bücher, die nicht alle auf unser Plakat gepaßt haben. Z.B. läuft gerade einen Neuauflage des Kult-Mangas 20th Century Boys, es gab sensationelle Disney-Hommages von französischen/europäischen Zeichnern, Zeichnerentdeckungen wie in der Gaston-Anthologie zum Jubiläum, es gab visuelle Higlights wie Monstress, grafische Leckerbissen und Geheimtipps wie Mord für Mord, das letzte Werk von Taniguchi, das riesige Moebius-Opus, Reprints von Klassikern wie Alexander Nikopol, und vieles mehr. Als Mini-Trend kann man die Neueditionen von Mangaklassikern (Perfect Editions, Master Editions) bezeichnen, hier werden gerade wichtige Titel wieder verfügbar gemacht. Dazu kamen viele Serienstarts und Fortsetzungen, Netflix ist ein Witz dagegen. ;) Insgesamt kann man 2018 mal wieder als ein sehr gutes Comicjahr bezeichnen.

Mäcke Häring, ein Berliner Original

Heute präsentieren wir euch einen Gastbeitrag von Michael Hoffmann, seines Zeichens Comicliebhaber und langjähriger Stammkunde, eine Empfehlung, der wir uns gerne anschließen möchten:

 

Mäcke Häring, ein Berliner Original

Babylon Berlin, eine Fernsehserie der Superlative, ein Actionthriller, der im europäischen Chicago der zwanziger Jahre spielt und frei die Handlung der genialen Volker Kutscher Romane aufgreift, ist gerade in aller Munde. Das Interesse ist scheinbar gerade groß an der Epoche der Weimarer Republik. Auch Bert Brechts Dreigroschenfilm hat unlängst in den Lichtspielhäusern starbesetzt gestartet. Aber vor diesem Boom gab es schon lange einen Privatdetektiv. Mäcke Häring, den ein wenig an Nick Knatterton erinnernden Ermittler, geschaffen vom Berliner Comiczeichner Michael
Schröter
.

Mäcke Häring Berlin Comic

Mäcke Häring, ein Comic wie es ihn so nur einmal gibt. Nicht einem bestimmten Genre zuordenbar, unterhaltend und trotzdem realistisch und zeitkritisch, mutig expressionistisch gezeichnet und collagiert, locker einerseits und dennoch auch akribisch andererseits.

Mäcke Häring ist eine liebevolle Studie einer Epoche, die die Schwelle zur heutigen Welt war. In unseren Augen ist alles noch nostalgisch beschaulich und trotzdem hält die moderne Welt Einzug. Musik und Kunst werden frecher und selbstbewusster, und die Frauen emanzipieren sich.
Michael Schröter zeichnet und koloriert ein Zeitbild, das geprägt ist von der Liebe zur amerikanischen Jazzmusik und zur Architektur des guten alten Berlins. Er erzählt Geschichten von Künstlern, Kleinverbrechern und Ringvereingangstern, von Straßenkindern und den kleinen Leuten, die vor gar
nicht langer Zeit in einer doch so anderen Zeit in unserer Stadt Berlin zu Hause waren. Und er lässt auch die ernsten Themen und den drohenden politischen Umbruch hin und wieder anklingen, ohne aber das Genre des Unterhaltungscomics, der Detektivgeschichte mit verlässlich an das Gute und die Lösung des Falles glaubenden Helden aus dem Fokus zu verlieren. Denn bei Mäcke Häring sind die Goldenen Zwanziger mit ihren Tanzrevues und wilden Partys noch in vollem Gang. Mäcke Häring schlägt sich durch, lässt sich nicht unterkriegen, knattert auf dem geliebten Motorrad im Knickerbockeranzug und mit der obligatorischen Schiebermütze gerüstet durch den Berliner Stadtdschungel, organisiert und recherchiert, steckt ein und steht wieder auf und brennt für seine Freundin und seine geliebte Jazzmusik.

Allen, die gerne eintauchen möchten in die Traumwelt des Berlins von gestern, sei hiermit empfohlen nicht nur in die Welt der Filme zu entfliehen, sondern auch Michael Schröters wunderbar nostalgisch anmutende Comicalben als Zeitmaschine zu nutzen.

– Michael Hoffmann

Lincoln

Darf ich vorstellen: das ist Lincoln.

Lincoln Auf Teufel komm raus Comic Band 1

Seines Zeichens zynischer, griesgrämiger und nihilistischer Westernheld. Westernheld? Eigentlich nicht wirklich. Jedenfalls noch nicht. Er hat zwar das Zeug dazu, aber irgendwie fehlt es ein wenig an Motivation.

Im ersten Album erfahren wir einiges über Lincolns schwierige Vergangenheit, und wie sich diese Vorgeschichte auf Lincolns späteren Life Style auswirkt. Mit dem Präsidenten Lincoln hat der Western übrigens (bislang) nichts zu tun.  Unterbrochen wird Lincolns lasterhafter Lebensweg von keinem geringeren als Gott höchstselbst und in Persona, der offenkundig Lincoln noch nicht aufgegeben hat und ihn mit einer besonderen Eigenschaft versieht. Der Teufel taucht übrigens als alter Kumpel Gottes auch kurz auf, hat in dieser Geschichte allerdings nur eine Gastrolle (aber womöglich im Hintergrund auch seine Hände im Spiel). Wie immer möchte ich hier über den Inhalt nicht allzu viel verraten.

Lincoln ist mitunter urkomisch, manchmal lakonisch, beinhaltet klassische Westernelemente mit einem nicht ganz so klassischem Twist, aber auch eine große Prise schwarzen und respektlosen Humor und wird bei dem einen oder anderen politisch überkorrekten Leser wahrscheinlich für Schnappatmung sorgen (ich freue ich schon auf kontroverse Rezensionen). Visuell ist der Comic in schöne analoge Zeichnungen verpackt, die eine gewisse ästhetische Verwandschaft zu den Werken aus der L'Association (Sfar, Blain u.a.) oder den Werken von Bonhomme nicht leugnen können. Dafür sorgen der eher lockere Strich und die angenehmen gedeckten Farben. Bemerkenswert sind die vielen Seiten im Comic, die komplett auf Text verzichten. Ebenso wie Bonhomme sind die Jouvrays in der Lage, rein visuell zu erzählen. Das macht einen guten Comiczeichner aus, das unterscheidet einen guten Comiczeichner (oder Team) von einem weniger guten. Und das macht natürlich beim "Lesen" des Werks sehr viel Spaß.

Seite aus Lincoln Band 1 (c) Verlag Schreiber & Leser

Seite aus Lincoln Band 1 (c) Verlag Schreiber & Leser

In Frankreich sind bereits 9 Alben des Familienprojekts erschienen – die halbe Familie Jouvray ist an dem Comic beteiligt, laut Schreiber & Leser Magazin #41 unter großem Applaus der französischen Leserschaft.  Oliver Jouvra kennen wir übrigens bereits als Szenarist der Moby Dick Adaption aus dem Hause Splitter und aus Fluchtunnel nach West-Berlin vom Avant-Verlag,


Fazit: unkonventioneller, intelligenter Western und buchstäblich ein Heidenspaß. Reinschauen!


Lincoln Band 1 – Auf Teufel komm raus
von Jérome Jouvray, Anne-Claire Jouvray, Oliver Jouvra
Verlag: Schreiber & Leser
Hardcover, 48 Seiten in Farbe, 14.95 EUR

I Kill Giants

Wenn ihr mal eine richtig, richtig gute Graphic Novel lesen möchtet, empfehle ich euch I Kill Giants.  Es ist schwierig, etwas darüber zu schreiben, ohne zu spoilern. Nur soviel: es ist trotz fantastischer Einlagen (und entsprechenden Artworks) kein klassisches Fantasy-Abenteuer. Es geht um Mobbing, es geht ums Erwachsenwerden (aber durchaus eigen und anders, als das teilweise in der aktuellen Coming-of-Age Titelflut zelebriert wird), und wie man Kämpfe gewinnt. Großartig umgesetzt, und sehr ergreifend, mit Charakteren, die einem am Ende nicht egal sind. Mehr möchte ich dazu garnicht schreiben. Am besten lesen, und erst danach die Verfilmung auf Netflix gucken.

I kill Giants

Der Comic wurde übrigens vielfach nominiert und mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem als "Best Indie Book" (IGN) und "Best Publication for Teens" (Eisner Award, nominiert)

 

 

Gratis Comic Tag 2018 – Empfehlungen

Am 12. Mai 2018 ist es wieder soweit – der nächste Gratis-Comic-Tag findet statt. Wir freuen uns auf den kommenden Samstag. Kommt vorbei, schaut euch um, holt euch ein paar Comics für Umme ab. :)

Hier möchte ich euch noch ein paar GCT-Comics empfehlen, die wir euch gerne besonders ans Herz legen möchten:

 

Black Hammer

Black Hammer Gratis Comic Tag 2018

Ich denke zwar, dass der Titel diese Promotion kaum nötig hat – er ist bereits jetzt auf dem Weg, einer unserer Bestseller des Jahres zu werden – trotzdem möchte ich noch einmal diesen Comic hervor heben, er hat es einfach verdient. Jeff Lemires Superheldencomic ist gleichzeitig Hommage wie Abgesang auf das Genre. Lemire, der einerseits Comics für DC, andererseits mitunter melancholische bis depressive Graphic Novels schreibt, gelingt hier eine großartige Mischung aus beiden. Man muß übrigens kein Superheldenleser sein, um diesen Comic lesen oder verstehen zu können.

Usagi Yojimbo

Usagi Yojimbo Gratis Comic Tag 2018

Der Titel ist bereits zweimal auf dem deutschen Markt gefloppt. Das dies nicht immer etwas mit fehlender Qualität zu tun hat, zeigt diese Comicserie. In den USA zeichnet Stan Sakai den Comic seit über 30 Jahren. Erzählt wird die Geschichte eines Samurai-Hasen im historischen Japan. Bemerkenswert ist einerseits die erzählerische Bandbreite der Serie, diese reicht von Kampf-Action bis hin zu philosophischen Betrachtungen, etwa wenn Usagi als junger Hase unlösbare Aufgaben von seinem Sensei aufbekommt. Das ist mal ernst, und mal sehr witzig. Anderseits ist der Aufbau der Serie beeindruckend. Im Prinzip kann man tatsächlich jede einzelne Geschichte für sich lesen, aber jede Geschichte ist auch Teil eines Puzzles für eine große und epische Hintergrunderzählung. Das findet man in dieser Qualität nicht so oft. An der Stelle einen herzlichen Dank an den Dante Verlag, der diese Comicperle wieder auf Deutsch verfügbar macht.

Curtney Crumrin

Curtney Crumrin Gratis Comic Tag 2018

Dieser Comic läuft unter dem Kids-Label, ist aber durchaus auch für erwachsene Leser interessant.Curntey Crumrin besticht durch dunkle, unheimliche Mystery-Geschichten. Die Serie wurde bereits vor einigen Jahren in Schwarz-Weiss-Bänden veröffentlicht, nun erscheint eine kolorierte Fassung. Ich bin zwar der Meinung, dass die Serie mit ihren knackigen und präzisen Zeichnungen hervorragend funktionierte und eigentlich keine Farben benötigt, aber ich weiß auch, dass viele Leser eher auf kolorierte Comics stehen. Ob Curtney Crumrin in Farbe auch so gut funktioniert? Geben wir dieser Version eine Chance, denn es ist eine tolle und extrem gut gezeichnete Geschichte.

Q-R-T

Q-R-T Gratis Comic Tag 2018

Jüngeren Lesern möchte ich Q-R-T ans Herz legen. Von der locker gezeichneten, sympathischen und humorvollen Geschichte aus der Feder des deutschen Zeichners Ferdinand Lutz sind bislang zwei Bände bei Reprodukt erschienen. Es geht um einen Alien, der in der Nachbarschaft einzieht und für allerlei Verwicklungen und abenteuerliche Situationen sorgt. Kinder lieben Q-R-T!

Lucky Luke

Lucky Luke Gratis Comic Tag 2018

Dazu muß man wohl nichts mehr sagen. Sollte es doch jemanden geben, der noch nie einen Lucky Luke Comic gelesen hat – zugreifen. Holt euren Kindern Lucky Luke. 'Ne schöne Kindheit ist die Voraussetzung für alles weitere.

 

Hier die Übersicht über alle 35 Hefte:


GCT 2018 Übersicht

[für größere Ansicht klicken / Bildgröße 2.5 MB]

 

Ausführliche Informationen zu allen       Comics findet ihr auch unter www.gratiscomictag.de

Wir sehen uns am Samstag!