Koma

In einen Sog zieht mich noch immer KOMA von Wazem & Peeters, ein „all time favourite“, der zu Unrecht immer noch recht unbekannt ist.

Das Mädchen Addidas hilft ihrem Vater bei der anstrengenden Arbeit in Schornsteine zu klettern, um diese dort von innen zu reinigen. Dort wird sie oftmals bewusstlos, verfällt in eine Art Koma und begegnet in ihren Träumen Monstern, die offenbar am Grund der Schlote mysteriöse Maschinen intakt halten … Im Verlauf der Comicreihe verwischen dabei schleichend Realität und Traumwelt des Mädchens, so dass man an manchen Stellen nicht mehr genau sagen kann, auf welcher Ebene man sich als Leser gerade befindet.

Das Charakterdesign von Frederik Peeters ist zum Verlieben. Was beim Essen als geschmacklich vollmundig bezeichnet werden mag, bringen in diesem Comic die reizvollen, ausdrucksstarken Figuren zum Ausdruck: sehr rund und gelungen. Ebenso fesseln umgehend die Szenarien, die Handlungsorte, die unwirklich wie auch überzeugend zugleich wirken. Beim Lesen entsteht ein warmes, abenteuerliches Gefühl. Und zeitgleich kommen Fragen auf: „Was passiert hier bloß? Wo wird das hinführen?“ Jeder weitere Band macht noch gespannter auf den folgenden. Und so gehört sich das.

Die Koloration ist wunderbar, das Lettering bringt kleine und große Buchstaben ganz anders und sehr charmant zusammen, doch wird der Lesefluss an keiner Stelle gestört. Zu entdecken sind auch Bilderfolgen ohne Text … diese so vielsagend, dass solcher dort auch nicht notwendig gewesen wäre. Sprechblasen, die zu den bezauberndsten gehören, die sich je in einem Comic fanden interagieren schräg und quer mit den Bildern, entfleuchen oftmals schlängelnd den Mündern der Figuren. Ein Kleinod wundervollster zeichnerischer Erzählkunst ist Wazem und Peeters mit „Koma“ gelungen. Mit Bewunderung für die beiden Schöpfer und einem schweren Hauch Wehmut nähert sich doch unaufhaltsam dann das Ende.

Übrigens gab es tatsächlich in den vergangenen Jahrhunderten Kinder, die aufgrund ihrer kleinen Körpergröße zur inneren Reinigung von großen Schornsteinen eingesetzt wurden: die sogenannten Climbing Boys (in England) oder Kaminfegerkinder (Alpenraum).

Sechs Bände bei Reprodukt erschienen, je 48 Seiten zu 12.00 Eur.