"Die Übertragung" von Manuele Fior
Dem italienischen Comickünstler Manuele Fior gelingt es immer wieder, seine Leser zu überraschen. So auch diesmal, allein in der Form der Präsentation, denn seine neue Graphic Novel "Die Übertragung" legt er im klassischen Albenformat vor; mittlerweile leider unüblich für eine Graphic Novel – und in Schwarzweiß. Hatte Fior doch nach seinem schwarzweißen, in Berlin entstandenen Debüt "Menschen am Sonntag" ausschließlich Werke vorgelegt, die durch ihre Farbgebungen auffielen. Während der in schwarz-roten Tönen angelegte Band "Ikarus" noch recht expressiv ausfiel, verfeinerte sich Fiors Technik in der Folge, wie in der nuanciert aquarellierten Literaturadaption "Fräulein Else" bis zur zuletzt erschienenen (und auf dem Comicfestival von Angoulême 2011 als "bestes Album" ausgezeichneten) Graphic Novel "Fünftausend Kilometer in der Sekunde", die von impressionistisch zarten Pastelltönen geprägt ist.


Nun also "nur" Schwarzweiß? Und dann ausgerechnet Science-Fiction?
Doch Manuele Fior bleibt sich treu. Keine Geschichte ist wie die andere, für jede sucht er die passende eigene Form – trotzdem bleibt sein Stil für einen noch jungen Künstler unverwechselbar. Zum Plot: Raniero, ein Psychiater um die 50, hat eines Nachts mit seinem Auto einen Unfall auf einer Landstraße. Da entdeckt er seltsame geometrische Zeichen am Himmel, Prismen, Dreiecke. Handelt es sich um Lichtreflexionen oder gar eine Sinnestäuschung? Zuhause hat ihn der Alltag bald wieder. Seine Frau Nadia will sich scheiden lassen, obwohl beide weiterhin Zärtlichkeit füreinander empfinden. In der Klinik bekommt er eine neue Patientin, Dora, eine junge Frau, die der "Neuen Konvention" angehört – einer Bewegung, die das Leben neu regelt und z.B. keine Monogamie mehr zulässt. Raniero fühlt sich von Dora angezogen und verspürt auch eine seltsame Wesensverwandtschaft.
Offenbar hat Dora die "Zeichen" ebenfalls gesehen. Eine persönliche Krise und ein globales Ereignis treffen aufeinander.
Obwohl es sich um eine Science-Fiction-Story handelt, ist der erste Eindruck ein völlig anderer: es fehlt das offenkundig Spektakuläre, stattdessen läuft die Erzählung ganz leise an. Auch diesmal beweist Manuele Fior seine Meisterschaft in der behutsamen Einfühlung in Stimmungen, vor allem ins Innenleben seiner Charaktere. Durch die schwebende Leichtigkeit seiner Erzählweise und die Mehrdeutigkeit der Geschehnisse wird der Leser zum eigenen Nachdenken angeregt, zur Interpretation der unaufgeregten Bilder, die im Laufe der Handlung ihre eigene Spannung entwickeln. Die Geschichte changiert zwischen lebensnahen alltäglichen und übernatürlichen Ereignissen, die in beiden Fällen rätselhaft sind. Fast nebensächlich werden hin und wieder kleine futuristische Einfälle eingestreut.
Manuele Fior hat drei Jahre an dieser Graphic Novel gezeichnet. Er arbeitet ohne Szenario, weil er sich während des kreativen Prozesses gerne selbst überraschen lassen will, wohin ihn die "Reise" führt. Das führt zu einem lebendigen Resultat, Klischees bekommen keine Chance, trotzdem ist die Geschichte gut strukturiert. Dabei gelingen Manuele Fior in Schwarzweiß ähnlich subtile, impressionistische Bilder wie in seinen farbigen Arbeiten. Und er beweist, dass Science Fiction auch anders sein kann.
Über den Rezensenten: Ralph Trommer ist Autor von Kurzgeschichten, Drehbüchern und Animationsfilmen, und schreibt Artikel über Comics für verschiedene Fach- und Tageszeitungen.
Weitere Informationen zum Buch und zu einer speziellen ExLibris Edition, sowie einen Video-Trailer findet Ihr hier: Die Übertragung – Ex Libris Edition

Mitnichten. Nun gibt es endlich den Comic zur Kunstform Ballett. Der 28jährige Shooting Star der französischen Bande Déssinée, Bastien Vivès, bedient sich der im Trend liegenden Erzählform Graphic Novel, um die Entwicklungsgeschichte eines begabten Mädchens zu erzählen, die ein Ballettinternat besucht. Vergleichbar zum Film „Black Swan“ ist die Abhängigkeit der noch unfertigen, zerbrechlichen Tänzerin vom übermächtigen Choreographen mit dem Hauch des Genialischen. Wird der Maestro im Film recht klischeehaft als sadistisches Charakterschwein dargestellt, der Talent und Persönlichkeit der Tänzerin wie ein Vampir aussaugt, um seine Visionen durchzusetzen, wird die Beziehung im Comic deutlich differenzierter dargestellt.


Trotz vieler gelungener Elemente der Spielbergversion von "Tim und Struppi" stellte sich für mich nach der Vorführung die Sehnsucht nach dem Original ein. Zu sehr hat Spielberg Tim/Tintin mit Indiana Jones vermischt (oder verwechselt?) und spektakuläre Szenen dazuerfunden, die der Comic gar nicht nötig hat.
Lorenzo Mattotti ist einer der eigenwilligsten unter den Comic-Künstlern. Schon Mitte der 80er Jahre hatte er seinen charakteristischen Stil gefunden, der von Lesern sofort als `eindeutig Mattotti´ identifiziert werden kann. Besonders seine farbigen Arbeiten sind typisch und geradezu durch Farbexplosionen gekennzeichnet. Die leuchtenden Farben etwa in "Feuer", "Der Klang des Rauhreifs" oder "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" sind herausragende Beispiele für den grafisch wie erzählerisch anspruchsvollen Stil des Italieners. Doch immer wieder macht Mattotti Bücher, in denen er sein Spektrum erweitert. Seine Schwarzweiß -Comics (etwa "Der Mann am Fenster", "Stigmata" oder "Schimäre") sind nicht weniger gelungen als seine farbigen Arbeiten, je nach Thema und Geschichte entscheidet er, welche Grundstimmung den Band beherrscht. Die Psychologie spielt eine große Rolle in seinen Werken, Träume von Ich-Erzählern gehen oft in faszinierend surreale Visionen über.