Portugal!

Portugal – das neue Comicbuch von Cyril Pedrosa ist da – und um es gleich vorweg zu nehmen, es ist großartig geworden!

"Der Comiczeichner Simon Muchat steckt in einer Schaffenskrise. Ihm ist jede Inspiration abhanden gekommen, und langsam aber sicher treibt er seine Freundin Claire mit seiner Lethargie zur Verzweiflung – bis eines Tages eine Einladung ins Haus flattert: eine Cousine in Portugal heiratet. Das Land seiner Vorfahren, das er seit Kindertagen nicht mehr besucht hat, rührt ihn eigentümlich an, hier entdeckt er einen Lebensstil, der ihn fasziniert, und findet die Quelle neuer Lebenslust." (Pressetext Reprodukt)

Mit einem Umfang von 264 Seiten erreicht der Band eine Länge von fünf Standardalben. Andere Künstler hätten daraus eine über Jahre laufende Serie gemacht. Trotz des Umfangs ist der Band eher komplex als etwa reduziert gezeichnet. Auf einem ersten, flüchtigen Blick wirken Pedrosas Zeichnungen skizzenhaft, auf den zweiten Blick jedoch erkennt man die Qualität und Genauigkeit des Strichs. Wie auch schon bei "Drei Schatten" folgt da jeder Kritzel einem Zweck, jede Schraffur folgt der räumlichen Form. Da wiegen sich Bäume im Wind, da werden Orte geschaffen, an denen man gerne seine möchte. Die Figuren werden wunderbar dargestellt. Kurz gesagt Pedrosa ist ein Virtuose, dem man die Freude am Zeichnen auf jeder Seite anmerkt. Ebenso begeistert die warme und wechselnde Kolorierung.

Bereits als Kind las Pedrosa Comics. Später arbeitete er bei Disney als Zeichner für die Zeichentrickproduktionen "Der Glöckner von Notre Dame" und "Herkules". Auf Deutsch sind einige seiner Comics bei Salleck (Ring Circus) und Reprodukt (Auto-Bio, Drei Schatten) erschienen. Drei Schatten war als eine traurig-melancholische Geschichte einer der ganz großen Fantasy-Graphic-Novels der letzten Jahre, die m.E. viel mehr Beachtung verdient hätte.

Wir haben hier in unserem "Prenzlauer Hill Studio" noch einen kleinen Film mit Impressionen aus "Portugal" vorbereitet:

Als kleines Special bieten wir zu den ersten 10 Büchern kostenlos einen signierten und auf 300 Exemplare limitierten Ex-Libris-Kunstdruck an. Das Video zeigt die Ausgabe mit dem Kunstdruck, der am Ende des Films auf der Innenseite des Backcovers zu sehen ist.

Portugal
von Cyril Pedrosa
Reprodukt
Hardcover (Leinen), 264 Seiten in Farbe,  39.00 EUR

Leseprobe bei Reprodukt

 

Comic-Lesung mit Ulli Lust

Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines LebensIm Rahmen der Ausstellung "comicleben_comiclife" findet in Berlin-Dahlem am 22. Juni eine Lesung statt:

"Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens" heißt Ulli Lusts preisgekrönter Comicroman, aus dem sie einzelne Passagen vorlesen wird. Mit dem rauen Strich des Bleistifts berichtet sie darin von ihrer abenteuerlichen Reise durch Italien, die sie als 16-jährige zusammen mit einer Freundin aus der Wiener Punkszene 1984 unternahm. Bei der Lesung begegnen wir in Projektionen auf die Leinwand zwei lebenshungrigen Teenagern, italienischen Mafiabossen und Ausreißern aus ganz Europa, die sich allabendlich auf der spanischen Treppe in Rom treffen.
Dazu trägt Ulli Lust ihre Eindrücke dieser prägenden Reise vor und beantwortet Fragen zur Entstehung der autobiografischen Graphic Novel.

 

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Wissenschaft vs. Aberglaube

Das Mittelalter, geprägt durch Aberglauben und dogmatisches Denken wird mit Einsetzen der Neuzeit und der Renaissance (in Rückbesinnung auf die Antike) überwunden. Es folgen Aufklärung und Humanismus. Auch die Erkenntnisse über die Anatomie des Menschen und der daraus folgenden medizinischen Behandlungsmethoden ändern sich grundlegend.

Das Einhorn

Die gesamte philosophische und religiöse Denkweise der Menschen befindet sich im Umbruch. In Das Einhorn nimmt uns Szenarist Mathieu Gabella mit auf eine Reise in die Zeit des Wandels, und entwirft ein Szenario, das sich mit der Frage beschäftigt, ob die scheinbar überholten Erkenntnisse des Mittelalters wirklich falsch waren. Haben sich tatsächlich nur die Erkenntnisse über die Anatomie, oder hat sich eventuell der Mensch selber anatomisch verändert? Gab es die mythischen Kreaturen des Mittelalters nur in der Einfalt des Menschen, oder sind diese nur in Vergessenheit geraten und verschwunden? Das Einhorn steht dafür als Symbol für den Aberglauben und die Alchemie des Mittelalters, bzw. für die Frage, ob man diese anerkennt oder nicht.

In der Geschichte, die in Teilen an Der Name der Rose oder Sleepy Hollow erinnert, treffen wir auf Vertreter der Medizin der Renaissance, auf deren Widersacher und auf Wesen der alten Zeit. Rätselhafte Morde und deren Untersuchungen, Geheimbünde und Verschwörungen und seltsame Kreaturen bestimmen die spannende Handlung, die sich über vier Alben spannt, und von Zeichner Anthony Jean opulent und in bester klassischer franko-belgischer Zeichenkunst in Szene gesetzt wurde. Der Abschlussband der Serie ist soeben erschienen.

Abgerundet werden die Bände durch einiges an Bonusmaterial, dessen Umfang von Band zu Band variiert. Hier findet man z.B. historische Fakten über die tatsächlichen Geschehnisse und Personen, Coverentwürfe und zusätzliche Zeichnungen. Insbesondere die Artikel über den historischen Hintergrund sollte man unbedingt lesen, da sich dem Leser dadurch noch eine zusätzliche Dimension der eigentlichen Comicgeschichte erschließt.

Das Einhorn ist ein großartiger Fantasy-Thriller, der sich um ein Gedankenspiel rund um die Umbrüche im Angelpunkt zwischen Mittelalter und Neuzeit rankt. Lesetipp!

Das Einhorn
von Gabella und Jean
Splitter

Band 1: Der letzte Tempel, Hardcover, 48 Seiten, Farbe, 12.80 EUR
Band 2: Ad Naturam, Hardcover, 56 Seiten, Farbe, 13.80 EUR
Band 3: Die schwarzen Wasser von Vendig, Hardcover, 64 Seiten, Farbe, 13.80 EUR
Band 4: Der Tag der Taufe, Hardcover, 64 Seiten, Farbe, 14.80 EUR
 

Der Boxer

BoxerIn den Konzentrationslagern der Nazis lief einiges, das weniger bekannt wurde. So wurden viele Sportler – darunter auch Boxer – in den KZs interniert. Die Boxer mussten zum Gaudi der Wachmannschaften und der SS Kämpfe austragen, die im Grunde nur sadistische Gemetzel waren. Die Verlierer überlebten selten. Einer dieser Boxer hieß Hertzko Haft. Er war Jude.

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UW1 wird verfilmt!

Universal Ware OneWie Autor und Zeichner Denis Bajram berichtet, wird seine Meisterwerk Universal War One verfilmt!

Hier geht es zum Artikel.

Ob ein Budget von 40 Mio Dollar ausreichen wird? :D

Universal War One ist eine sechsteilige Science-Fiction-Graphic-Novel (dt. bei Splitter),  die sich u.a. mit  Zeitreisephilosophie beschäftigt. Vergleichen würde ich den Comic ein wenig mit Büchern von Michael Crichton, da hier aus komplexer wissenschaftlicher Thematik ein überdurchschnittlich spannender SciFi-Thriller gemacht wurde. Der besondere Reiz dieser Serie liegt in der ausgeklügelten Erzählweise in verschiedener Zeitebenen, Einbeziehung von jüngeren astrophysikalischen Erkenntnissen, sowie der durchdachten, runden Geschichte. Eine Grafik im letzten Band zeigt, dass sich Bajram die Story, insbesondere die Zeitsprünge vorab überlegt hat, und sich nicht von Album zu Album hangelt. Das Konzept ging auf – UW1 ist beste Unterhaltung, die nicht die Intelligenz des Lesers beleidigt. Lesetipp!

Universal War Two wurde übrigens ebenfalls als zweiter Zyklus angekündigt.

In Brüsel

Letztes Wochenende waren wir bei unseren Kollegen in dem schicken Brüsseler BD-Fachgeschäft "Brüsel". Auf 400m² gibt es dort auf einer Etage Alben und Graphic Novels. So wie bei uns im Laden, nur im belgischen Maßstab. :) So konnte ich schon einen Blick in "Gringo Locos" werfen (die Geschichte über Jije, Franquin und Morris auf der Suche nach dem Wilden Westen erscheint im Januar 2013 bei Carlsen),  und YES – ich habe den lang ersehnten Abschlussband von "Das Einhorn", einer der Top-Serien der letzten Zeit gesichtet (Abschlussband kommt Ende Mai bei Splitter)  – und natürlich kein Wort verstanden. Und in dem neuen Schuiten "La Douce" konnte ich auch schon mal blättern. Der sieht auch mal richtig gut aus, hoffentlich finden wir den Band bald im Programm von Schreiber & Leser.

Gringos LocosLicorne 4La Douce

Und natürlich gab es noch vieles mehr, unmöglich hier alles aufzuzählen.

Im Obergeschoss des Ladens gibt es Poster und Drucke, und noch bis 27. Mai 2012 eine kleine Ausstellung mit Originalzeichnungen und Drucken von Schuiten.

Schuiten Ausstellung im Comicladen Brüsel, Bild 1

Schuiten Ausstellung im Comicladen Brüsel, Bild 2

 

Falls Ihr mal in Brüssel seid, laßt Euch Brüsel nicht entgehen!

http://www.brusel.com/

 

 

Parallelwelten

Tagesspiegel - Brüsel

In meiner kleinen, seit 2009 laufenden Kolumne im Comic-Blog des Berliner Tagesspiegels ist gerade mal wieder ein Artikel erschienen:
Die geheimnisvolle Stadt Brüsel (alternativ auch hier im Blog zu finden).

Der Comic-Blog des Tagesspiegels ist eine der vielseitigsten Informationsquellen über Comics. Gezeichnete Geschichten aller Genres und Formate, aber auch comicverwandte Themen wie Verfilmungen oder Veranstaltungen werden dort regelmäßig besprochen. Die Werke werden dort nicht nur gefeiert, sondern auch kritisch rezensiert. Im Gegensatz zu anderen Portalen oder Magazinen wird der Comicblog unabhängig von Comicverlagen betrieben, ist damit eine wichtige Ressource, und sprengt dabei mühelos auch noch die Grenzen des sonst manchmal recht eindimensionalen Rahmens der Kulturabteilungen verschiedener Medien.

Die Beiträge stammen von comicbegeisterten Redakteuren, Künstlern, Brancheninsidern und Journalisten. Reinlesen!

http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics

Eine Frau sieht rot!

Das jemand bei uns der ersten Teil eines Comics kauft, und drei Stunden später dann wieder im Laden steht und Teil zwei haben will, kommt manchmal aber selten vor. Das dies gleich zwei mal passiert, ist schon unwahrscheinlich. Bei der vorliegenden Serie ist es so geschehen. So hat sich "Das Schwert" von den Luna-Brothers zu einem heimlichen Favoriten unseres Ladens entwickelt. Nun sind endlich Teil 3 und 4 erschienen, und die Serie liegt vollständig vor. Hier der Rückenbildbeweis:

Das Schwert - Rückenbild

Das Schwert ist ein klassisches Rachepos mit phantastischen Elementen. Die querschnittsgelähmte Protagonistin findet ein Schwert, welches ihr übernatürliche Fähigkeiten verleiht, und beginnt einen blutigen Rachefeldzug gegen die Mörder ihrer Familie. Jede Menge Action und Kollateralschäden inklusive. Da fliegen durchaus auch mal Körperteile durch die Gegend. Was sich jetzt nach einer Kreuzung zwischen "Ein Mann sieht rot" und "The Punisher" mit einer Prise "Kill Bill" anhört – erfüllt genau diese Klischees, macht aber irgendwie viel mehr Spaß. Die große Leistung dieses Comics ist die ungewöhnlich fesselnde Dramaturgie, die Art und Weise wie diese Geschichte in Bildsprache umgesetzt wird. Jeder der ersten drei Teile hinterläßt das Gefühl, unbedingt wissen zu müssen wie es weiter geht. Großartig anzusehen ist auch die zugleich verletzliche aber auch smarte Hauptdarstellerin. Solide aber fast unspektakulär gezeichnet, entwickelt die Geschichte einen Drive den man in dieser Perfektion in nur sehr wenigen Comics findet.

Den schicken Trailer des US-Publishers hatten wir bereits bei Erscheinen der Bände 1 und 2 gepostet. Weil der so schön ist, hier gleich nochmal:

Das Schwert  1-4
von den Luna-Brothers
Cross Cult
Hardcover, je 160 Seiten, farbig
je Band 22 EUR

Wider die Müdigkeit

Am 2. und 3. Juni 2012 lädt die Heinrich-Böll-Stiftung zum kulturellen Festival "Wider die Müdigkeit" nach Berlin. Ihre Gäste kommen aus dem Nahen Osten, Mittel- und Osteuropa sowie Deutschland. Die Literaten, Wissenschaftlerinnen, Musiker, Malerinnen, Comic-Zeichner und Kuratoren erzählen über ihren Widerstand in Unterdrückungsregimen. Sie präsentieren künstlerische und intellektuelle Reaktionen auf die gesellschaftlichen Schwingungen, die letztlich zu großen Veränderungen führten – ob vor einem Jahr in Ägypten und Tunesien oder seit 1989 in den Ländern Osteuropas.

Unter anderem wird Magdy El-Shafee (Libyen) Originalzeichnungen aus seiner Graphic Novel "Metro" zeigen, in der er die sozialen und politischen Zustände seiner Heimatstadt Kairo anprangert:

MetroSchihab, ein junger Software-Ingenieur aus Kairo, gerät in die Fänge von korrupten Geschäftemachern. Nachdem er den Mord an einem Geschäftsmann, der ihn unterstützen wollte, beobachten musste, beschließt er eine Bank zu überfallen, um seine Schulden begleichen zu können.
 
Nun sind ihm nicht nur seine Gläubiger, sondern auch die Polizei auf den Fersen. Es beginnt eine abenteuerliche Flucht durch die pulsierende Metropole Kairo.
Korruption, Willkür, sexuelle Frustration, Jugend ohne Zukunft: Bereits drei Jahre vor dem Arabischen Frühling hat Magdy El-Shafee die Ursachen thematisiert, die zu den aktuellen Ereignissen führten. Eine eindrückliche Geschichte von Jugendlichen in Kairo, kurz vor dem Arabischen Frühling. In Ägypten verboten!

Metro
Magdy El-Shafee
Edition Moderne
Softcover, 96 Seiten, s/w, 18.00 EUR
erscheint im Juni '12

Veranstaltungsort: Heinrich-Böll-Stiftung in 10117 Berlin, Schumannstr. 8

Ausführliche Informationen zur Veranstaltung: http://www.wider-die-muedigkeit.de

 

Quellen: Pressetexte von ARTEFAKT Kulturkonzepte / Buchbeschreibung von GraphicNovel.Info.

Der Spieler

Der SpielerSucht ist listig. Gegen sie zu argumentieren ist sinnlos, weil sie immer die besseren Argumente hat. Wie süß klingt der Satz Nur eine Zigarette nach dem Essen, wenn man sich gerade das Rauchen abgewöhnen will. Wer dieser Logik nachgibt, stellt schnell fest, dass es plötzlich sehr viele Situationen gibt, die man irgendwie mit nach dem Essen umschreiben kann. Und dann gibt es noch die Suchtverlagerung. Wer nicht auch sein Suchtverhalten, sondern nur den Suchtstoff ändert, befriedigt sein Bedürfnis nach oraler Zufuhr später nicht mehr mit Zigaretten, sondern mit dem Kühlschrankinhalt.

Der russische Autor Fjodor Dostojewski kann ein Lied davon singen. Er war hochgradig spielsüchtig. Sein Roman Der Spieler beschreibt diese Leidenschaft ausführlich. Und auch in diesem Roman spielt Suchtverlagerung eine Rolle: Vor der Spielsucht steht die Liebe zu einer Frau. Die schöne (und berechnende) Polina behandelt den sie anhimmelnden Alexej wie ihren Schoßhund. Alexej nimmt alle Demütigungen in Kauf, um ihr nahe sein zu können. Das Schema wiederholt sich, als er anfängt zu spielen: Auch da nimmt er jede Demütigung in Kauf, um am Roulettetisch sitzen zu können.

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Meine Mutter kommt auf die Leinwand

Vom Comic auf die Leinwand – hier der erste Teaser zur Zeichentrickumsetzung der rührigen Graphic Novel "Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen".

"Der kleine Jean befindet sich in höchster Not, als er in der Schule erzählen soll, was seine Eltern beruflich machen. Sein Vater ist Firmenchef, doch seine Mutter lebt nicht bei der Familie. Über sie weiß Jean so gut wie nichts. Deswegen beginnt er, sich das Leben seiner Mutter in Gedanken auszumalen. Immer wilder werden seine Ideen, und schließlich landet die Mutter seiner Fantasie im Wilden Westen, wo sie auf Buffalo Bill trifft." (Pressetext zum Buch, Carlsen)

Zeichner Emile Bravo hat schon mit mit dem Spirou-Band "Porträt eines Helden als junger Tor" (einer Rückblende in die Jugend Spirous zur Nazizeit) Aufsehen erregt. Sein letztes Werk ist der knuffig-witzige Märchenmix "Die sieben Zwergbären".

Meine MutterSpirou - Porträt eines Helden als junger Tor

Das tapfere Prinzlein und die sieben Zergbären

Der rote Baum

"Ein kleines Mädchen erwacht und ihr Zimmer ist voller schwarzer Blätter. Traurigkeit umgibt sie. Shaun Tan erinnert uns in seinem frühen Meisterwerk "Der rote Baum" daran, dass dunkle Augenblicke ebenso zum Leben gehören wie die Hoffnung, die uns erlöst." (Klappentext, Carlsen)

Ein weiteres wunderbares All-Age-Bilderbuch des australischen Ausnahmekünstlers. Hier gibt es einen kleinen Blick ins Buch:

 

Der rote Baum
von Shaun Tan
Carlsen
Hardcover, 32 Seiten, farbig, ab 5 Jahren, 16.90 EUR

In der Strafkolonie

In der StrafkolonieKafkas Geschichten wirken meist surreal. Das gilt auch für seine Erzählung In der Strafkolonie. Aber in Zeiten, in denen nicht nur Diktatoren von Bananenrepubliken, sondern auch Präsidenten der USA Foltermethoden wie Waterboarding für legitim halten, bekommt die Geschichte einen anderen Charakter. In Kafkas Strafkolonie wird einem Reisenden ein Folterinstrument vorgeführt, dessen Technik der amtierende Offizier zu loben nicht müde wird. Man weiß nicht, was man widerlicher finden soll: Die perfide Technik des Instruments, das einen Menschen in zwölf Stunden systematisch zu Tode foltert, oder die Begeisterung, mit der der Offizier es anhimmelt.

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Packeis

PackeisDie krassesten Stories schreibt doch immer noch das Leben selbst, wie z.B. in dieser Lebensgeschichte. Der erste Mann am Nordpol war Metthew Henson, der dafür Zeit seines Lebens nicht gerühmt wurde – weil er Afroamerikaner war und im Schatten des rücksichtslosen Forschers Peary stand.

Autor und Zeichner Simon Schwartz erregte bereits mit seiner autobiografischen Geschichte "Drüben" einiges an Aufmerksamkeit. Darin erzählt er, wie er mit seinen Eltern aus der DDR nach Westdeutschland ausgewandert ist. Ich schätze "Drüben" besonders, weil es zum einen nicht das Leben in der DDR als "Realfunny" darstellt, wie z.B. viele deutsche Filmemacher dies mit einer gewissen Portion Überheblichkeit getan haben. Zum anderen verzichtet der Autor auf Schwarz-Weiß-Malerei, und zeichnet ein authentisch-wirkendes und sehr persönliches Bild der Situation. Bereits in der vierten Auflage liegt dieses Buch vor, die aktuelle Edition enthält acht Bonusseiten. Wer eine  ältere Ausgabe hat, kann sich die zusätzlichen Seiten auch hier runterladen.

DrübenDrüben
von Simon Schwartz
Avant
Softcover, 120 Seiten, s/w, 14,95 EUR

 

Zurück zum aktuellen Band: In "Packeis" geht es nun um die Geschichte von Metthew Henson. Der Schiffszimmermann begleitete um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verschiedene Expeditionen des Forschers Robert Peary. Sein pragmatisches Geschick und sein beherztes Auftreten machten ihn zum unverzichtbaren Mitglied des Forscherteams. Am Ende war Henson der Mann, der den Nordpol als erstes betrat. Zugleich ging Henson unter dem Namen Mahri Pahluk in die Sagenwelt der Inuit ein, die in Henson einen Seelenverwandten sahen und mit ihm ihre Geheimnisse teilten.

In Packeis geht es als um Rassismus, Eitelkeiten, Forscherschwindel und auch um Menschenhandel in den USA (sogar noch Anfang des 20. Jahrhunderts – Jahrzehnte nach dem amerkanischen Bürgerkrieg) und auch um die Mythologie der Inuit aka Eskimos. Packeis ist eine gut geschriebene, tragische Geschichte, die in einigen Details von der wahren Geschichte abweicht. Deswegen würde ich das nicht Biografie nennen, es ist eher literarisch, ein Roman mit (sehr vielen und den wichtigen) wahren Eckdaten. Aus den Abweichungen macht der Autor allerdings auch kein Geheimnis – im Anhang des Buches gibt es eine Zeittafel mit allen geschichtlichen Details.

Grafisch setzt Simon Schwartz auf kräftige Outlines, manchmal wirken die Zeichnungen fast wie mit einer Schablone gezeichnet. Dazu kommt eine reduzierte, meist flächige Kolorierung in schwarz, weiß und blau. Ein Zeichenstil, der sicherlich polarisiert, die Erzählung in seiner Klarheit aber gut unterstützt und vorantreibt. Es ist schön zu sehen, wie sich der Künstler entwickelt, der mit "Drüben" ein sehr gutes Debüt hingelegt hat, und nun mit "Packeis" ein noch besseres, noch runderes Werk abliefert. Man darf gespannt sein, was da noch kommen mag…

Packeis
von Simon Schwartz
Avant
Softcover, 176 Seiten, s/w/blau, 19,95 EUR