Der vorliegende Band "Die falschen Gesichter" zeigt einmal mehr die Vielfalt des französischen Comickünstlers David B., seines Zeichens Gründungsmitglied der Künstlergruppe L’Association.
Sind seine Arbeiten als Zeichner meist durch eine Mischung aus Lebensnähe und phantastischer (teilweiser surrealer) Darstellung geprägt, ist seine Arbeit als Autor an dem Band "Die falschen Gesichter" in seiner Mischung aus Hard-Boiled und Crime Noir eher ein Genrestück. Los geht es in den 1970er Jahren. Eine Gruppe Männer, die sich außerhalb und unabhängig des französischen Verbrechermilieues bewegt, entschließt sich Banken zu überfallen. Angeregt durch eine historische Geschichte verkleiden sich die Männer mit angeklebten Bärten, Perücken und Hüten, um als gewöhnliche Kunden in die Banken hineinzuspazieren – und dann in letzter Sekunde zuzuschlagen. Ein für die Polizei scheinbar nicht zu stoppender Feldzug an Banküberfällen beginnt, bis sich eines Tages das Blatt wendet…
Laut Klappentext basiert der Band auf wahren Begebenheiten. David B. gelingt als Autor zusammen mit Zeichner Hervé Tanquerelle (auch bekannt als Zeichner für Sfars "Professor Bell") eine Hommage an den Crime Noir. Erstaunlich ist dabei die pointierte Charakterisierung der vielen, sehr unterschiedlich motivierten Protagonisten, die dem Leser auch einiges an Aufmerksamkeit abverlangen. Gelungen ist auch die Atmosphäre des Bandes, der die damalige Zeit einfängt, bemerkenswert wie in dem Band ein Mythos erschaffen und gleichzeitg wieder zerlegt wird. Romantische Verbrecherkarrieren bleiben am Ende nicht übrig.
Während in Frankreich bereits über 20 Bände von David B. erschienen sind, ist die Anzahl der deutschsprachigen Veröffentlichungen noch übersichtlich. Mein Eindruck ist, das David B. im deutschsprachigen Raum noch weit unter Wert gehandelt wird. Stehen auf französischen Comicfestivals die Besucher bei dem Künstler Schlange, hat David B. hier noch so etwas wie Geheimtipp-Charakter. Hier gibt für den aufgeschlossenen Leser abseits des Comic-Mainstreams noch Schätze zu heben. Folgende Werke von David B. wurden hierzulande veröffentlicht:
Der Tengu (Edition Moderne, 1999), ein Comic über japanische Mythologie (leider vergriffen)
Das bleiche Pferd (Reprodukt, 2001), ein Comic über Träume und Albträume
Die Heilige Krankheit, Teil 1+2 (Edition Moderne, 2006-2007) – hier geht es um die eigene Familiengeschichte, und insbesondere um die Epilepsie des Bruders von David B. und die damit verbundenen Auswirkungen der Krankheit und der Suche nach Heilung auf die Familie.
Inzwischen wird David B. im Avant-Verlag veröffentlicht, der dem Künstler in den letzten Jahren eine adäquate Plattform für seine Arbeiten bietet:
Auf dunklen Wegen (Avant, 2010), ein übrigens hervorragender Comic über eine kurze Utopia Phase zwischen den beiden Weltkriegen in Italien (einer unserer Comics des Jahres 2010)
Kapitän Scharlach (Avant, 2010), ein Buch über den Schriftsteller Marcel Schwob, der in dieser Geschichte zu eine seiner eigenen Romanfiguren wird. Das Buch entstand zusammen mit Emmanuel Guibert (Alans War, Der Fotograf, Edition Moderne; Ariol, Reprodukt).
Guibert behandelt politische Themen und Reisebeschreibungen,
macht aber auch herzliche Kindercomics wie Ariol
Die besten Feinde (Avant, 2010), ein Geschichtscomic über die Beziehungen zwischen dem nahen Osten und den USA (geschrieben zusammen mit dem französischen Islamwissenschaftler Jean-Pierre Filiu), das Gemeinsamkeiten in den Beziehungen der Länder in den Jahren 1783 und 1953 beleuchtet. Manche DInge ändern sich scheinbar nie.
Außerdem erschien im Avant-Verlag noch das Heft Babel in der Kollektion Ignatz. In der Kollektion Ignatz sollten weltweit in mehreren Sprachen Comics von verschiedenen Künstlern aus dem Independent-Bereich zeitgleich veröffentlicht werden. Ziel war es neben der Veröffentlichung ungewöhnlichen Materials den Künstlern eine bessere zeitliche Struktur für ihre Arbeit zu schaffen – ähnlich wie im amerikanischen Heftemarkt. Denn für Comic- oder Graphic-Novel-Künstler ergibt sich ein schwerwiegendes Problem: teilweise fließen Jahre Arbeit in ein Werk, danach kommen noch redaktionelle Bearbeitung und Buchproduktion dazu. Daraus ergeben sich lange Zeiträume, in denen der Künster keine Buchverkäufe und damit finanziellen Einnahmen hat. Einige Werke werden nie vollendet. Dem sollte mit Veröffentlichung in kleinen "Portionen" entgegegewirkt werden. Das Projekt war wohl etwas überambitioniert, und die serielle Veröffentlichung von nicht abgeschlossenen Geschichten wurde offenbar nicht so gut angenommen. Die Kollektion wurde hierzulande eingestellt. Einige Fortsetzungen der auf deutsch erschienenen Hefte sind in den USA bei Fantagraphics erschienen. Babel als Metapher – die Einstellung der Kollektion Ignatz führte dann auch zum Bruch zwischen Avant und dem italienischen Comickünstler Igort (dem Initiator der Serie), der mit seinem Kollegen Gipi im Schlepptau inzwischen bei Reprodukt veröffentlicht wird.
Die ersten neun Bände dieser famosen Reihe erschienen von 1995 bis 2003 in der Edition Comic Speedline des Verlags Thomas Tilsner. Die Reihe wurde schnell zur Kult-Serie, und das zu Recht. Was Moore in diese Mischung aus Krimi, Beziehungsdrama und Soap an Situationskomik hineinmixt, ist vom Feinsten. Dazu hat er sich auch ein unterhaltsames Figurenkabinett zusammengestellt.
Die Minutemen sind eine Vereinigung kostümierter Verbrechensjäger in den 40er-Jahren. Sie werden bewundert und bestaunt – doch jeder von ihnen hütet düstere Geheimnisse. (Panini)


Der Comickünstler Tonci Zonjic auf Deutschlandtour
Die spannende Geschichte startet – ganz im Trend aktueller Produktionen – mittendrin. Der ehemalige CIA-Analyst Jon Moore ist auf der Flucht. Aber er ist nicht allein. Ihm zur Seite steht der mysteriöse Jake Ellis. Nur niemand weiß genau, wer eigentlich dieser Jake Ellis ist. Schnell stellt sich heraus, das Jake Ellis nur im Kopf des Agenten Jon Moore existiert – Ellis ist ein Hirngespinst, welches aber zunehmend eine eigene Dynamik, einen eigenen Geist entwickelt, und den Protagonisten durch allerlei brenzlige Situationen leitet. Jon Moore kommt im Laufe der Geschichte dem Geheimnis von Jake Ellis auf die Spur.
Die Comics des Hellboy-Universums gehören zu meiner persönlichen Lieblingslektüre. Das liegt zum einen an dem expressionistischen Artwork von Mike Mignola, an den filigranen Zeichnungen von Duncan Fegredo späterer Hellboy-Bände, an den Lovecraft'schen Einflüssen, an der Prise Steampunk, an sympathischen Charakteren, die einem ans Herz wachsen. Charaktere, die keine richtigen Superhelden sind, sondern eher in Situationen hinein schlittern, und sich rauswinden müssen. All das, was eine gute Horror-Soap so ausmacht. Was mich daran ebenfalls sehr begeistert ist der Fakt, das seit 20 Jahren Hellboy & Co. keine erzählerische Redundanz entstanden ist, wie man sie aus anderen amerikanischen Superheldencomics kennt. Jede Geschichte ist eine Puzzleteil, zusammengesetzt ergeben diese ein episches Werk in außergewöhnlicher erzählerischer Qualität.
Verschiedene Spin-Offs zu Hellboy und B.P.R.D. (dt. B.U.A.P., die Behörde, für die Hellboy anfangs arbeitet, und die nach seiner Kündigung eine eigen Serie bekam) sind in den letzten Jahren entstanden. Einige davon stehen auch etwas außerhalb der beiden großen Reihen, und funktionieren auch sehr gut für sich alleine. Cruss Cult bringt diese Geschichten in 600 Seiten zählenden, limitierten Sonderbänden. Der zweite Sonderband "Geschichten aus dem Hellboy-Universum" ist nun gerade zum Comicfestival in München erschienen.

vs.