Parallelwelten

Tagesspiegel - Brüsel

In meiner kleinen, seit 2009 laufenden Kolumne im Comic-Blog des Berliner Tagesspiegels ist gerade mal wieder ein Artikel erschienen:
Die geheimnisvolle Stadt Brüsel (alternativ auch hier im Blog zu finden).

Der Comic-Blog des Tagesspiegels ist eine der vielseitigsten Informationsquellen über Comics. Gezeichnete Geschichten aller Genres und Formate, aber auch comicverwandte Themen wie Verfilmungen oder Veranstaltungen werden dort regelmäßig besprochen. Die Werke werden dort nicht nur gefeiert, sondern auch kritisch rezensiert. Im Gegensatz zu anderen Portalen oder Magazinen wird der Comicblog unabhängig von Comicverlagen betrieben, ist damit eine wichtige Ressource, und sprengt dabei mühelos auch noch die Grenzen des sonst manchmal recht eindimensionalen Rahmens der Kulturabteilungen verschiedener Medien.

Die Beiträge stammen von comicbegeisterten Redakteuren, Künstlern, Brancheninsidern und Journalisten. Reinlesen!

http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics

Eine Frau sieht rot!

Das jemand bei uns der ersten Teil eines Comics kauft, und drei Stunden später dann wieder im Laden steht und Teil zwei haben will, kommt manchmal aber selten vor. Das dies gleich zwei mal passiert, ist schon unwahrscheinlich. Bei der vorliegenden Serie ist es so geschehen. So hat sich "Das Schwert" von den Luna-Brothers zu einem heimlichen Favoriten unseres Ladens entwickelt. Nun sind endlich Teil 3 und 4 erschienen, und die Serie liegt vollständig vor. Hier der Rückenbildbeweis:

Das Schwert - Rückenbild

Das Schwert ist ein klassisches Rachepos mit phantastischen Elementen. Die querschnittsgelähmte Protagonistin findet ein Schwert, welches ihr übernatürliche Fähigkeiten verleiht, und beginnt einen blutigen Rachefeldzug gegen die Mörder ihrer Familie. Jede Menge Action und Kollateralschäden inklusive. Da fliegen durchaus auch mal Körperteile durch die Gegend. Was sich jetzt nach einer Kreuzung zwischen "Ein Mann sieht rot" und "The Punisher" mit einer Prise "Kill Bill" anhört – erfüllt genau diese Klischees, macht aber irgendwie viel mehr Spaß. Die große Leistung dieses Comics ist die ungewöhnlich fesselnde Dramaturgie, die Art und Weise wie diese Geschichte in Bildsprache umgesetzt wird. Jeder der ersten drei Teile hinterläßt das Gefühl, unbedingt wissen zu müssen wie es weiter geht. Großartig anzusehen ist auch die zugleich verletzliche aber auch smarte Hauptdarstellerin. Solide aber fast unspektakulär gezeichnet, entwickelt die Geschichte einen Drive den man in dieser Perfektion in nur sehr wenigen Comics findet.

Den schicken Trailer des US-Publishers hatten wir bereits bei Erscheinen der Bände 1 und 2 gepostet. Weil der so schön ist, hier gleich nochmal:

Das Schwert  1-4
von den Luna-Brothers
Cross Cult
Hardcover, je 160 Seiten, farbig
je Band 22 EUR

Wider die Müdigkeit

Am 2. und 3. Juni 2012 lädt die Heinrich-Böll-Stiftung zum kulturellen Festival "Wider die Müdigkeit" nach Berlin. Ihre Gäste kommen aus dem Nahen Osten, Mittel- und Osteuropa sowie Deutschland. Die Literaten, Wissenschaftlerinnen, Musiker, Malerinnen, Comic-Zeichner und Kuratoren erzählen über ihren Widerstand in Unterdrückungsregimen. Sie präsentieren künstlerische und intellektuelle Reaktionen auf die gesellschaftlichen Schwingungen, die letztlich zu großen Veränderungen führten – ob vor einem Jahr in Ägypten und Tunesien oder seit 1989 in den Ländern Osteuropas.

Unter anderem wird Magdy El-Shafee (Libyen) Originalzeichnungen aus seiner Graphic Novel "Metro" zeigen, in der er die sozialen und politischen Zustände seiner Heimatstadt Kairo anprangert:

MetroSchihab, ein junger Software-Ingenieur aus Kairo, gerät in die Fänge von korrupten Geschäftemachern. Nachdem er den Mord an einem Geschäftsmann, der ihn unterstützen wollte, beobachten musste, beschließt er eine Bank zu überfallen, um seine Schulden begleichen zu können.
 
Nun sind ihm nicht nur seine Gläubiger, sondern auch die Polizei auf den Fersen. Es beginnt eine abenteuerliche Flucht durch die pulsierende Metropole Kairo.
Korruption, Willkür, sexuelle Frustration, Jugend ohne Zukunft: Bereits drei Jahre vor dem Arabischen Frühling hat Magdy El-Shafee die Ursachen thematisiert, die zu den aktuellen Ereignissen führten. Eine eindrückliche Geschichte von Jugendlichen in Kairo, kurz vor dem Arabischen Frühling. In Ägypten verboten!

Metro
Magdy El-Shafee
Edition Moderne
Softcover, 96 Seiten, s/w, 18.00 EUR
erscheint im Juni '12

Veranstaltungsort: Heinrich-Böll-Stiftung in 10117 Berlin, Schumannstr. 8

Ausführliche Informationen zur Veranstaltung: http://www.wider-die-muedigkeit.de

 

Quellen: Pressetexte von ARTEFAKT Kulturkonzepte / Buchbeschreibung von GraphicNovel.Info.

Meine Mutter kommt auf die Leinwand

Vom Comic auf die Leinwand – hier der erste Teaser zur Zeichentrickumsetzung der rührigen Graphic Novel "Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen".

"Der kleine Jean befindet sich in höchster Not, als er in der Schule erzählen soll, was seine Eltern beruflich machen. Sein Vater ist Firmenchef, doch seine Mutter lebt nicht bei der Familie. Über sie weiß Jean so gut wie nichts. Deswegen beginnt er, sich das Leben seiner Mutter in Gedanken auszumalen. Immer wilder werden seine Ideen, und schließlich landet die Mutter seiner Fantasie im Wilden Westen, wo sie auf Buffalo Bill trifft." (Pressetext zum Buch, Carlsen)

Zeichner Emile Bravo hat schon mit mit dem Spirou-Band "Porträt eines Helden als junger Tor" (einer Rückblende in die Jugend Spirous zur Nazizeit) Aufsehen erregt. Sein letztes Werk ist der knuffig-witzige Märchenmix "Die sieben Zwergbären".

Meine MutterSpirou - Porträt eines Helden als junger Tor

Das tapfere Prinzlein und die sieben Zergbären

Battle Chasers – Ultimative Edition

Cross Cult hat für Juni eine bibliophile Gesamtausgabe des Sci-Fi-Fantasy-Steampunk-Spektakels "Battle Chasers" angekündigt!

Battle ChasersBattle Chasers

 

Battle Chasers – Ultimative Edition
von Joe Madureira
Cross Cult
Hardcover, farbig,  320 Seiten, 49.80 €

Die Ausgabe ist auf 1500 Stück limitiert. Weiterhin wird es eine auf 150 Stück limitierte "Werwolf"-Edition mit Variantcover und Kunstdruck geben. Da solche limitierten Ausgaben schon bei Erscheinen oder kurz danach vergriffen und nur noch zu Mondpreisen im Netz erhältlich sind, setzt Euch bitte bei Interesse vorab mit dem Comichändler Eures Vertrauens in Verbindung..

Zwerg, Band 1: Wyrïmir

Zwerg

Ein Muttermal macht den Zwerg Oth bereits zu seiner Geburt zum Staatsfeind Nr. 1 im Reich der Zwerge. Da bleibt nur das Exil. Doch eines Tages aufgespürt muß sich Oth erneut auf die Flucht begeben – auf eine Wanderung durch einen magischen Wald. Dort lernt er neue Feinde und Freunde kennen. Mit von der Partie sind ein adliger Frosch (der auf eine korrekte Anrede besteht), ein Wildschwein-Haudegen, der dem Band auch seinen Namen "Wyrïmir" gibt, und einige andere Tiere. Und da gibt es noch ein Kriegervolk mit barbusigen Amazonen, die den Zwergen nicht besonders gewogen sind. Andeutungsweise erfährt Oth, was es mit der Feindschaft zwischen dem Zwergvolk und den Krieginnen, sowie mit seinem Mal auf sich hat und was seine Bestimmung sein könnte…

Shovel - Autor und Zeichner

Shovel, Autor und Zeichner (Abb.) in einer Person gelingt in diesem ersten Band einer auf fünf Teile angelegten Serie ein wunderbares Werk. Er verbindet hier Archetypen der mythischen Erzählung mit märchenhaften Elementen, und erzeugt eine Geschichte mit ganz eigenem Drive. Wer hier aufgrund des Titels an einen "Herr der Ringe" – Abklatsch denkt, liegt zum Glück falsch. Die Geschichte ist originell und verfolgt einen ganz eigenen Ansatz.

Wie es ich für eine gute Fantasy-Erzählung dieser Ausrichtung gehört gibt es eine Karte, stimmungsvolle Eigennamen für alle Personen und Orte, und schöne Details in jeder Hinsicht. Bemerkenswert ist auch, was für eine pralle, komplexe Handlung Shovel auf nur 48 Seiten des Buches unterbringt. Sehr sympathisch ist auch der feine Humor, die in den Band hier und da eingestreut wurde. Zwerg ist natürlich kein Funny oder Persiflage, nimmt sich aber auch selbst nicht zu ernst.

Auch grafisch überzeugt der Band in seinem Stil mit ausgewogener Kolorierung. Das Cover ist hier etwas irreführend, da die Zeichnungen im Inneren des Bandes stilistisch anders gemacht sind. Hier ein Beispielpanel aus dem Comic:

Zwerg

Impressionen aus dem Buch (Youtube-Video) :

Und hier gehts zu einer fünfseitigen Leseprobe [PDF, 10 MB]

Es ist wohl nach nur einem Band noch etwas früh, die Serie als den ganz großen Wurf zu bezeichnen. Aber Shovel hat in dem vorliegenden ersten Teil erstmal alles richtig gemacht. Der Serienstart macht Lust auf mehr. Teil Zwei ist übrigens bereits für September 2012 angekündigt. Da heißt es dranbleiben!

Zwerg, Band 1: Wyrïmir
von Shovel
Splitter-Verlag
Hardcover, 48 Seiten, farbig, ab 12 Jahren, 13,80 EUR

Auf keinen Fall Fantasy!

Vor kurzem hatten wir jemanden im Laden, der wollte etwas für seinen elfjährigen Sohn kaufen. Nur sollte es auf keinen Fall Fantasy oder Science Fiction, sondern was Realistisches sein.

Da fragt man sich, woher die neue Aversion gegen phantastische Stoffe kommt, die sich teilweise ja auch im Feuilleton widerspiegelt – indem über solche Themen schlichtweg selten berichtet wird.

Ich finde das bedauerlich und sogar bedenklich. Ist Fantasie neuerdings etwas schlechtes?  Wir werden tagtäglich aus TV und Presse mit einer unglaublichen Flut an Negativmeldungen zugedröhnt. Selbst im Kika-Vorabendprogramm werden den Kids Berichte über Tretminen in Mozambique und Selbstmordattentäter zugemutet. Zweifellos sind dies wichtige Themen. Nur was bringt es, wenn die Träume und Fantasien der Kids von diesem Realitätskram vergiftet werden?

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Eisner Award 2012 – Die Nominierungen

Eisner AwardsDie Nominierungen für die diesjährigen Eisner-Awards wurden nun veröffentlicht:

"SAN DIEGO – Comic-Con International (Comic-Con) is proud to announce the nominations for the Will Eisner Comic Industry Awards 2012. The nominees, chosen by a blue-ribbon panel of judges, reflect the wide range of material being published in comics and graphic novel form today, from nursery rhymes and World War II battles to high school angst and pulp fiction."

Hier geht es zum offiziellen Artikel und zum Voting.

Die Gewinner werden am 13. Juli 2012 auf der Comic-Con in San Diego bekannt gegeben.

Der rote Baum

"Ein kleines Mädchen erwacht und ihr Zimmer ist voller schwarzer Blätter. Traurigkeit umgibt sie. Shaun Tan erinnert uns in seinem frühen Meisterwerk "Der rote Baum" daran, dass dunkle Augenblicke ebenso zum Leben gehören wie die Hoffnung, die uns erlöst." (Klappentext, Carlsen)

Ein weiteres wunderbares All-Age-Bilderbuch des australischen Ausnahmekünstlers. Hier gibt es einen kleinen Blick ins Buch:

 

Der rote Baum
von Shaun Tan
Carlsen
Hardcover, 32 Seiten, farbig, ab 5 Jahren, 16.90 EUR

Packeis

PackeisDie krassesten Stories schreibt doch immer noch das Leben selbst, wie z.B. in dieser Lebensgeschichte. Der erste Mann am Nordpol war Metthew Henson, der dafür Zeit seines Lebens nicht gerühmt wurde – weil er Afroamerikaner war und im Schatten des rücksichtslosen Forschers Peary stand.

Autor und Zeichner Simon Schwartz erregte bereits mit seiner autobiografischen Geschichte "Drüben" einiges an Aufmerksamkeit. Darin erzählt er, wie er mit seinen Eltern aus der DDR nach Westdeutschland ausgewandert ist. Ich schätze "Drüben" besonders, weil es zum einen nicht das Leben in der DDR als "Realfunny" darstellt, wie z.B. viele deutsche Filmemacher dies mit einer gewissen Portion Überheblichkeit getan haben. Zum anderen verzichtet der Autor auf Schwarz-Weiß-Malerei, und zeichnet ein authentisch-wirkendes und sehr persönliches Bild der Situation. Bereits in der vierten Auflage liegt dieses Buch vor, die aktuelle Edition enthält acht Bonusseiten. Wer eine  ältere Ausgabe hat, kann sich die zusätzlichen Seiten auch hier runterladen.

DrübenDrüben
von Simon Schwartz
Avant
Softcover, 120 Seiten, s/w, 14,95 EUR

 

Zurück zum aktuellen Band: In "Packeis" geht es nun um die Geschichte von Metthew Henson. Der Schiffszimmermann begleitete um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verschiedene Expeditionen des Forschers Robert Peary. Sein pragmatisches Geschick und sein beherztes Auftreten machten ihn zum unverzichtbaren Mitglied des Forscherteams. Am Ende war Henson der Mann, der den Nordpol als erstes betrat. Zugleich ging Henson unter dem Namen Mahri Pahluk in die Sagenwelt der Inuit ein, die in Henson einen Seelenverwandten sahen und mit ihm ihre Geheimnisse teilten.

In Packeis geht es als um Rassismus, Eitelkeiten, Forscherschwindel und auch um Menschenhandel in den USA (sogar noch Anfang des 20. Jahrhunderts – Jahrzehnte nach dem amerkanischen Bürgerkrieg) und auch um die Mythologie der Inuit aka Eskimos. Packeis ist eine gut geschriebene, tragische Geschichte, die in einigen Details von der wahren Geschichte abweicht. Deswegen würde ich das nicht Biografie nennen, es ist eher literarisch, ein Roman mit (sehr vielen und den wichtigen) wahren Eckdaten. Aus den Abweichungen macht der Autor allerdings auch kein Geheimnis – im Anhang des Buches gibt es eine Zeittafel mit allen geschichtlichen Details.

Grafisch setzt Simon Schwartz auf kräftige Outlines, manchmal wirken die Zeichnungen fast wie mit einer Schablone gezeichnet. Dazu kommt eine reduzierte, meist flächige Kolorierung in schwarz, weiß und blau. Ein Zeichenstil, der sicherlich polarisiert, die Erzählung in seiner Klarheit aber gut unterstützt und vorantreibt. Es ist schön zu sehen, wie sich der Künstler entwickelt, der mit "Drüben" ein sehr gutes Debüt hingelegt hat, und nun mit "Packeis" ein noch besseres, noch runderes Werk abliefert. Man darf gespannt sein, was da noch kommen mag…

Packeis
von Simon Schwartz
Avant
Softcover, 176 Seiten, s/w/blau, 19,95 EUR

Entoman-Wetter

Endlich Frühling in Berlin. Endlich T-Shirt-Wetter. Und David Füleki,  der Giorgio Armani unter den Comiczeichnern, hat sich der Berufsbekleidung für Comicverkäufer angenommen.

Entoman T-Shirt

Nachwuchstalent Füleki macht nicht nur T-Shirts, sondern auch durchgeknallten Manga-Splatter-Trash, der keinen Sinn aber um so mehr Spaß macht. In der Hauptrolle natürlich Entoman – die coolste Ente der Galaxis.

Blutrotkäppchen

Manga-Madness 1: Blutrotkäppchen
von David Füleki
TOKYOPOP
136 Seiten, Softcover, s/w, teilweise farbig, mit ausklappbaren Miniposter, 5,- EUR

ab 15 Jahre

Leseprobe bei Tokyopop (benötigt Flash)

 

Fantasie vs. Realität

Der grosse ToteGerade ist der dritte Teil der Serie "Der grosse Tote" erschienen. Diese Serie ist praktisch der Gegenpol zu allem, was im Moment so abgefeiert wird und die Charts bestimmt. So ruhig, so langsam und unglaublich souverän gezeichnet und erzählt, und trotz zelebrierter Langsamkeit so spannend.

Zur Handlung möchte ich wie immer nicht zu viel verraten. Nur soviel: es gibt zwei Menschen, die in ländlicher Idylle mittels geheimnisvoller Tropfen in eine phantastische Parallelwelt gelangen, und dort eine für die Bewohner dieser Welt existenzielle Aufgabe erfüllen müssen. Und dort entdecken sie auch den Titelgebenden großen Toten. Die Entdeckung passiert übrigens auf dem letzten Panel der letzten Seite des ersten Bandes – um mal einen Hinweis auf die Langsamkeit der Erzählung zu geben. Das ist 'decompressed storytelling' vom Feinsten.

Was jetzt erstmal nach "Standard Deluxe"-Fließbandfantasy klingt, kippt im zweiten und dritten Teil dann völlig um. Unsere Protagonisten gelangen zurück in die reale Welt, und dort ist inzwischen viel Zeit vergangen. Denn die Zeit vergeht in den beiden Welten unterschiedlich schnell. In Afghanistan tobt der Krieg, in Paris herrschen Armut und Chaos. Dem Leser wird hier keine erleichternde Verschnaufpause in der heilen Realwelt geboten. Stattdessen braut sich etwas Unheimliches zusammen. Etwas, das die Fantasiewelt und die inzwischen morbide Realwelt miteinander verbindet. Und die Protagonisten taumeln durch die Handlung und die Zeit, von der märchenhaften Idylle zum locus terribilis, und werden unterwegs erwachsen.

Der grosse Tote ist eine Serie, die dem Fantasy-Genre zuzuordnen ist, und gleichzeitig auch einen harten, kritischen Bezug zur Realität und einen humanistischen Anspruch hat. Es ist eine Serie, die für mich unkonventionell, subtil und nicht vorhersehbar ist. Eine leise Serie, die alles was sie an Sensationen weg lässt mit Spannung wieder wettmacht. Es ist auch eine Serie, die den Leser im Unklaren darüber lässt, wohin die Reise gehen wird, und die für Überraschungen gut ist. Und es ist das beste, was ich dieses Jahr gelesen habe.

Ach, und ja: die Zeichnungen und intensiven Farben sind auch genial. Und ich liebe dieses Cover.

Der grosse Tote
Szenario: Régis Loisel und JB Djian
Zeichnungen: Vincent Mallié
Ehapa-Comic-Collection

Band 1: Die Tränen der Bienen
Band 2: Pauline
Band 3: Blanche

ab 14 Jahre

Je Band: Hardcover, ca. 64 Seiten, farbig, 12 EUR

Die Serie läuft noch. Alle Bände bekommt Ihr immer bei uns im Laden.

Zeichen und Wunder

Das Zeichen des MondesIm Carlsen-Verlag erschien gerade das Album Das Zeichen des Mondes. In sehr schönem Schwarz/Weiss mit einem Tupfer Farbe entwirft José Luis Munuera, der auch die Spirou-Alben 45 bis 48 und das Sillage-Spin-Off Nävis zeichnet, zusammen mit Debut-Autor Enrique Bonet ein fantastisches Märchen.

Eine gelungene Rezension eines Lesers gibts dazu unter diesem Link. Unbedingt lesen!

Das Zeichen des Mondes
Munuera/Bonet
Carlsen
Hardcover, 144 Seiten, s/w, 29.90 EUR

Aufzeichnungen aus Jerusalem

Gestern Morgen ist nun die Kiste mit dem neuen Delisle bei uns aufgeschlagen. Schön ist er geworden!

Delisles gezeichneten Berichte aus 'problematischen' Ländern wie China, Nordkorea und Birma gehören zu den gefragtesten Büchern unseres Sortiments. Zu Recht, wie ich meine. Ich bin schon auf Euer Feedback zu dem neuen Israel-Band gespannt!

Container – Gesamtausgabe

Der Berliner Reprodukt-Verlag, bekannt für sorgfältig editierte und handverlesene Comics, und in letzter Zeit vor allem für seine Feuilleton-kompatiblen grafischen Romane, die heute den gefühlten Mainstream der Comics in den Buchhandlungen bilden, legt immer mal wieder einen Ausflug zu seinen Wurzeln, den Independent-Comics ein. Erst vor kurzem erschien die Gesamtausgabe von "Black Hole", dem Opus Magnum des amerikanischen Underground-Zeichners Charles Burns.

Nun ist das neueste Werk für Undergroundcomic-Fans bei uns eingetroffen:

Container Container, eine (fast) Gesamtausgabe des Comicschaffens des schwedischen Künstlers und zeitweisen Wahlberliners Max Andersson. "Genau meine Art von Spaß" sagte oben genannter Charles Burns einmal über Anderssons Werk. Das sagt wohl schon eine Menge aus.

Max Anderssons Geschichten und Zeichnungen, die größtenteils in den 90er Jahren entstanden, sind morbide, debil, bitter böse, oft sau komisch, manchmal auch einfach zynisch, verstörend, dadaistisch. Die Protagonisten sehen – soweit sie überhaupt menschliche Züge tragen – eigentlich alle irgendwie fertig aus, wie abgemagerte Gefängnisinsassen auf Entzug.

Andersson nutzt die Möglichkeiten des Comics voll aus. Das ist nicht filmisch, und das ist nicht literarisch, da ist kein illustriertes Storytelling – das ist Comic pur und nur in diesem Medium möglich und völlig eigen, geradezu beispielhaft für das Medium. Andersson bedient sich aller zeichnerischen Freiheiten und bezieht auch die formale Struktur des Comics in das Geschehen mit ein. Vergleichbar ist das m.E. noch am ehesten mit den Werken des britischen Underground-Zeichners Hunt Emerson, wobei auch dieser Vergleich hinkt. Unmöglich, dies genauer in Worte zu fassen, verweise ich hiermit einfach mal auf unser Video.

Container – der Titel des Buches erweist dem Umfang alle Ehre: der 280 Seiten zählende Band enthält die Comics "Pixy", "Vakuumneger", "Der Tod", sowie einiges an bislang unveröffentlichtem Material, und bietet in seiner Dichte und Vielfalt Lesespaß für viele Stunden. Eine Empfehlung für Entdecker, Undergroundnostalgiker und alle, die etwas für schrägen, schwarzen Humor und seltsame Dinge übrig haben.

Container
Max Andersson
Reprodukt
Softcover, 280 Seiten, s/w, teilweise farbig, 29 EUR